Hinter dem Vorhang
Schwarzhaarige
Mühe hatte sich nicht gegen den Griff aufzulehnen. „Verstehst du... was ich sage?“, flüsterte der
Anzugträger leise weiter, ohne eine wirkliche Antwort zu erwarten. „Wir sind dem Ziel Nahe... wir
haben lange dafür gekämpft. Aber sie dürfen nicht erstarken... das dürfen sie nicht. Nein...“
Langsam lösten sich die Finger wieder vom Hals. Stück für Stück, bis die Hand sich unter das Kinn
des Schwarzhaarigen legte, während die Andere sachte über dessen Wange strich. „Du... hast die
Ehre diese Aufgabe zu erfüllen, ich werde mich nicht Näher einmischen. Noch nicht. Sollte ich es
tun, wäre das ein Armutszeugnis für dich, denn ich sollte keinen Grund haben an deiner Arbeit zu
zweifeln... mein Kind.“ Sebastien konnte nicht sprechen, auch nicht Nicken, deshalb blieb ihm keine andere Möglichkeit als es mit den Augen anzudeuten. Natürlich würde er tun, was der Andere
verlangt. Er würde fortfahren, wie bisher. Im Schatten konnte man ein Lächeln ausmachen, ein
Lächeln das nicht freundlich wirkte, dem etwas anhaftete, das es vermochte Abscheu hervorzurufen.
„ Du tust es nicht für mich... sondern für ihn... und sein Andenken.“, sprach er nun wieder in
normaler Lautstärke, dabei die Hände ganz zurückziehend, wieder auf dem Tisch ablegend. Klack.
Sebastien trat einen Schritt zurück, griff sich mit einer Hand an den Hals, die zerdrückte Kehle, die
brannte als hätte man flüssiges Feuer hineingeschüttet, aber er merkte wie sich die Quetschungen
bereits wieder Lösen begannen. „Ich... kümmre... mich... darum...“, die sonst sehr klangvolle
Stimme des Franzosen brach heißer, stockend über seine Lippen und bei jedem Wort glaubte er,
dass seine Stimmbänder gleich zerrissen. Er deutete noch eine Verbeugung an, machte kehrt um den
Raum mit weitgreifenden Schritten zu durchqueren. Der Anzugträger sprach nicht mehr, aber er
glaubte von dem Mann mit dem Hut ein dumpfes, leises Lachen zu hören, als er vorbeiging.
Jezz war in sein Zimmer gegangen, oder vielmehr war er es jetzt, der in dem kleinen
Badezimmerstand, das eigene Spiegelbild feindselig fixierend. Es war das gleiche Gesicht seit
beinahe zweihundert Jahren das ihm ebenso feindselig entgegen blickte. Das jugendliche Gesicht
eines Mannes der nicht einmal zwanzig Jahre messen mochte. Mantel als auch das Hemd lagen
draußen irgendwo auf dem Boden, er hatte sich nicht die Mühe gemacht den Krempel ordentlich zu
verstauen, zwei Dinge mehr die jetzt zwischen Papier und Büchern auf dem dunklen Teppich lagen.
Jezz hob eine Hand, presste die Handfläche auf die kalte, glatte Oberfläche des Glases. Verflucht
das durfte nicht wahr sein! Das durfte nicht wahr sein, das konnte es einfach nicht! Wie konnte sich
Jemand der über ein Jahrhundert immer gleich geblieben war, innerhalb weniger Jahre so verändern!
Er war enttäuscht, er war wütend und vor allem verstand er es nicht. Er kapierte nicht was das sollte. So lange, so lange schon haben sie sich ihrer erfolgreich erwehrt und jetzt wollten die sich an einen Tisch setzen und verhandeln?! Oder viel mehr sehenden Auges in eine Falle laufen?! „Verdammt nochmal!“ Jezz holte aus und schlug zu, schlug mit voller Wucht auf das kalte Glas ein, das sic h dieser Kraft nicht erwehren konnte und splitternd in zig Stücke zebarst. Ein wahrer Scherbenregen prasstelte auf Jezz, das Waschbecken und den gefliesten Boden nieder, was ein Klirren hinterließ, beinahe melodische Töne als das Glas auf Widerstand traf. Die Augen hatte er geschlossen, die Zähne so fest aufeinander gepresst, dass sich ein leises Knirschen zu dem Klimpernden Geräusch der Scherben gesellte. Die Aktion hatte ein zunächst scharfes, stechendes Gefühl in der Hand verursacht, das allmählich zu einem leisen Pochen wurde.
Langsam hob er die Lider wieder an, besah das nun glitzernde Waschbecken, auf dessen Rand
einige dunkelroten Tropfen abperlten, ein Muster auf dem weißen Grund hinterließen. Sachte ließ er
die Hand sinken, drehte sie herum um einen scharfkantigen Splitter aus dem Fleisch zu ziehen, was
dazu führte, dass er die Luft zwischen den Zähnen einzog, ein weiteren Laut unterdrückend. Das
Glas wanderte ins Becken, während er zusah, wie sich die Wunde erst langsam dann immer
schneller schloss, sodass nurmehr das dunkle Rinsaal übrig blieb das daraufhin versiegte. Er
erachtete es schon lange nicht mehr als 'Wunder'. Es war der Beweis dafür, dass sein Körper tot
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