Hinter der Tür
nicht mal mehr anhören.«
»Gail hat mir erzählt, daß Sie verreisen wollen. Nach Timbuktu, hat sie gesagt. Aber sie meinte auch, daß sie das vielleicht mißverstanden hätte.«
»Hat sie auch. Man hat mir eine Stellung im Rom-Büro der Pickering-Agentur angeboten.«
»Rom! Wunderbar! Grüßen Sie Marco von mir. Er ist Kellner in der Hostaria del Forso. Sagen Sie ihm meinen Namen, dann werden Sie bestens bedient.«
»Ich will wissen, wie es Gail geht!«
»Tut mir leid. Ich möchte mit niemandem über meine Patientin sprechen, der nicht mit ihr verwandt ist.« Er unterdrückte ein Lächeln, als er Steves beißende Antwort hörte. Dann sagte er: »Also gut, wenn Sie es wirklich wissen wollen – ihr Zustand ist ernst. Sie ist in einer kritischen emotionellen Phase, und die nächsten Tage oder Stunden dürften Aufschluß darüber bringen, ob sie in ein Krankenhaus muß. Das war einer der Gründe, warum ich vorgeschlagen habe, daß Sie sich jetzt nicht mit ihr in Verbindung setzen. Falls Sie sich darüber nicht im klaren sind, Mr. Tyner – Sie sind eine der primären Ursachen dieser Krise.«
»Wie steht es mit Ihnen?« fragte Steve hitzig. »Wenn Sie ihr nichts von meiner Arbeit bei der Fiduciary erzählt hätten …«
»Ja«, sagte Vanner, dessen Stimme die entgegengesetzte Temperatur hatte. »Wenn ich ihr die Wahrheit verschwiegen und zugelassen hätte, daß sie weiter annahm, Ihre Zuneigung wäre echt…«
»Da wir gerade von echt sprechen«, sagte Steve. »Wie kommt es, daß Sie nicht von der Psychiatrischen Vereinigung Amerikas geführt werden, Doktor?«
Die Wählscheibe schien vor Vanners Augen zu verschwimmen. Er überwand das Schwindelgefühl, indem er die Fingerspitzen gegen die Küchenwand stemmte.
»Verzeihung«, sagte er. »Was war das?«
»Ich sagte«, wiederholte Steve, »daß Sie in keinem einzigen Medizinerverzeichnis stehen. Ich habe den Verband angerufen, wo man mir sagte, daß Ihr Eintrag vielleicht zu neu ist, um in der letzten Ausgabe des psychiatrischen Handbuches zu stehen – doch man hatte auch keinen Aufnahmeantrag von Ihnen vorliegen.«
»Wer sagt denn, daß ich verpflichtet bin, mich eintragen zu lassen?«
»Ich habe daraufhin beim Senatsamt des Staates New York angerufen – das ist der Verein, der Psychiatern wie Ihnen die Lizenz erteilt – und dort gibt es auch keine Spur von Joel Vanner. Woher haben Sie Ihr Diplom, Doktor, als Werbezugabe aus einer Schachtel Com Flakes?«
»Ich habe nicht die Absicht, Ihnen meine Qualifikation zu belegen, Mr. Tyner. Aber da Sie schon davon sprechen – wenn Sie sich mein Diplom angesehen hätten, wüßten Sie, daß es nicht in diesem Land ausgestellt ist – und deshalb dauert es so lange, bis mich der Ausschuß auf die Liste setzt.«
»Na, wo ist das Ding denn her – aus Timbuktu?«
»Wien«, sagte Vanner. »Es stammt von der Universität Wien. Und wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen wollen, ich muß nach meiner Patientin schauen.«
Er legte auf, ohne auf eine Antwort zu warten, und wandte sich an seine ›Patientin‹ Mrs. Bellinger, die am Küchentisch saß und die Finger übereinandergelegt hatte. Vanner lächelte sie an und griff in der Tasche nach dem kleinen Umschlag, der die Schlaftabletten enthielt.
»Nehmen Sie beide sofort«, riet er. »Es dauert etwa eine halbe Stunde, bis sie wirken, aber wenn Sie dann ins Bett gehen, schlafen Sie sicher sehr fest.«
»Vielen Dank, Doktor.«
Vanner sah zu, wie sie die Pillen schluckte. Jede Kapsel enthielt ausreichend Phenobarbital, um einen jungen Bullen für den Rest der Nacht auszuschalten. Zwei Portionen waren geradezu eine Garantie für eine störungsfreie Nacht. Von der Wirksamkeit überzeugt, begann Mrs. Bellinger bereits zu gähnen, obwohl sie die Tabletten eben erst geschluckt hatte. Vanner lachte leise.
»Vielleicht sollten Sie gleich zu Bett gehen, Mrs. Bellinger.«
»Sind Sie sicher, daß mich Gail nicht mehr braucht?«
»Ich bin sicher, daß Gail auch bald schläft. Und machen Sie sich meinetwegen keine Gedanken. Ich finde schon hinaus.«
Als Mrs. Bellinger ging, warf sie dem Arzt einen dankbaren und vertrauensvollen Blick zu. Nette alte Schachtel, dachte Vanner. Er war in guter Stimmung. Sogar Steve Tyner widmete er einen freundlichen Gedanken, trotz Tyners grobem Racheversuch. Vanner machte sich keine Sorgen mehr darüber, da Dr. Joel Vanner sich bereits schrittweise aus diesem Leben empfahl. Nach seiner Rückkehr aus Brooklyn hatte er vorhin die wenigen Dinge
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