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Hinter der Tür

Hinter der Tür

Titel: Hinter der Tür Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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des Mädchens grub. Noch größer war seine Angst – das gestand er sich offen ein -, daß sich plötzlich ihre Augen öffneten, daß sie womöglich von dem Druck um ihre Luftröhre ins Bewußtsein zurückgeholt wurde. Dann erkannte er die Ursache des Problems: Der Stuhl war ein paar Zentimeter zu hoch, Gails Beine knickten an den Knien ein. Aber egal. Wenn der Stuhl nicht mehr unter ihr stand, waren es noch mindestens dreißig Zentimeter bis zum Boden, das genügte. Er war noch damit beschäftigt, die Entfernung zu messen, als unten die Haustürklingel anschlug. Er hatte das unangenehme Gefühl, daß ihm der Schweiß auf der Haut erkaltete. Er wartete und horchte, in der Hoffnung, die Stille würde den Besucher vertreiben.
    Doch die Klingel schellte beharrlich weiter; ein Geräusch, das absichtlich so verstärkt war, daß man es auch in den entferntesten Winkeln des großen Hauses hören konnte – im Flur ebenso wie auf dem Boden oder im Schlafzimmer … Vanner schluckte und fragte sich, ob das instinktive Pflichtgefühl der Haushälterin nicht vielleicht doch stärker war als das Schlafmittel. Er mußte jetzt schnell handeln – und es gab nur eine Möglichkeit. Er trat gegen das Vorderbein des ChippendaleStuhls, und das Möbelstück schoß unter Gails hängendem Körper hervor, die braune Schnur knirschte am Balken, und er hörte das schreckliche Knacken, als ihr Genick unter dem Gewicht brach; es war ein Geräusch, das er lieber nicht vernommen hätte. Als er die Treppe zum Erdgeschoß hinabeilte, hallte es in seinen Ohren nach und beeinträchtigte sein Urteilsvermögen. Er hätte vorher nachschauen sollen, wer der Besucher war. Statt dessen riß er einfach die Tür auf und blinzelte Steve Tyner verwirrt an.
    »Sie sind also noch da?« fragte dieser. »Gut, ausgezeichnet. Ich muß Ihnen ein paar Fragen stellen, Doktor, viele Fragen.«
    »Lassen Sie mich vorbei!« sagte Vanner heiser. »Ich kann jetzt nicht mit Ihnen sprechen! Ich muß Hilfe holen!«
    »Ich dachte, wir könnten uns mal unterhalten, Doktor, über Wiener Walzer und … und Sigmund Freud und ein paar andere Dinge …«
    »Hören Sie zu!« brüllte Vanner. »Gail hat sich erhängt!«
    Das hatte die erwartete Schockwirkung.
    »Was haben Sie da gesagt?«
    »Gail hat Selbstmord begangen«, sagte Vanner. »Sie hat sich auf dem Boden erhängt – wie ihre Mutter. Oh, mein Gott!« rief er mit einem völlig echten Schluchzen, das man für einen Ausdruck des Kummers hätte halten können, das aber in Wirklichkeit seiner Erleichterung entsprang. »Ich habe ihr zu helfen versucht, ich habe mich so sehr bemüht, aber ich konnte nicht…«
    Steve stieß ihn brutal mit der Schulter zur Seite und rannte an ihm vorbei zur Treppe. Vanner hatte nichts gegen den Schmerz; er spürte ihn kaum. Er ging nach draußen, und der Anblick seines gemieteten Plymouth entzückte ihn, als wäre der Wagen eine Weihnachtsüberraschung. Er setzte sich hinter das Steuer und fuhr los, wobei er den Motor sofort auf Touren brachte und das rein mechanische Gefühl genoß, daß die Räder seiner Fußbewegung gehorchten. Es hatte geregnet, aber jetzt war der Himmel wieder klar, die Luft war frisch und süß, die Straßen waren glatt und schwarz und schienen extra für diesen großen Augenblick reingewaschen zu sein. Er öffnete das Fenster und ließ sich vom Fahrtwind kühlen. Jede Empfindung entzückte ihn. Als die unglaubliche Vision seinen Rückspiegel füllte, bildete sein Schrei einen Kontrapunkt zum Geräusch der Reifen auf dem Asphalt, die den Plymouth in voller Fahrt auf die Gegenfahrbahn trugen. Ein Caravan traf den rechten vorderen Kotflügel und ließ den Wagen in wildem Kreis herum wirbeln; ein Gegenstand oder Mensch wurde in das Gebüsch am Straßenrand geschleudert, doch wundersamerweise hatte das Fahrzeug keinen weiteren Zusammenstoß, obwohl ihm noch andere Wagen entgegenkamen. Schließlich knallte der Plymouth gegen die niedrige Steinmauer, das Heck stieg empor, verharrte einen spannungsvollen Augenblick lang in der Luft und prallte dann herab, gefolgt von drei Explosionen; zwei kamen von den platzenden Hinterreifen, die dritte vom Benzintank, der den Plymouth in eine Kugel aus grellroten und orangefarbenen Flammen hüllte.

18
    D ie Zeit verändert alles«, sagte Baldridge philosophisch. »Sie verändert Dinge und auch Menschen.«
    »Beides kann von innen her verfaulen«, sagte Steve ernst. »Wie Piers Swann. Und wie der Balken auf dem Boden – Gott sei Dank. Er muß

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