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Hirschgulasch

Hirschgulasch

Titel: Hirschgulasch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graf-Riemann/Neuburger
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hast
du mir das Leben gerettet. Aber das hatten wir ja schon.«
    »Genau. Darauf brauchst du jetzt nicht ewig herumzureiten.«
    Der Kellner bringt Lubas Schokolade und Wiktors Kaffee.
    »Du trinkst keinen Wodka?«, fragt Luba.
    »Ich vertrage keinen Alkohol, höchstens mal ein Bier.«
    »Was bist du denn für ein Mann?«
    »Müssen alle Männer saufen?«
    »Von mir aus nicht, nein.«
    Wiktor zündet sich eine Zigarette an.
    »Aha, wenigstens rauchst du, wäre ja sonst schon unheimlich.«
    »Was machst du in der Zone?«, fragt Wiktor wieder.
    »Ich fahre mit dreihundert Sachen durch. Freie Straßen, kein Radar,
keine Kontrollen. Es kann nichts Schöneres geben für einen Biker.«
    »Wie alt warst du, als das damals passierte?«
    »Ich war zehn. Als die Strahlung in Kiew anstieg, setzten meine Eltern
mich und meinen Bruder in den Zug nach Odessa. Dort lebten meine Großeltern.
Wir kamen erst im Herbst wieder zurück, als das neue Schuljahr anfing.«
    »Und wie oft warst du jetzt drin?«
    »Es hat ein bisschen gedauert, bis ich mir die Maschine leisten
konnte. Aber seit ich sie habe, jedes Jahr.«
    »Und die Alte? Babuschka?«
    »Nenn sie nicht Babuschka. Sie heißt Mila. Ich habe sie vor ein paar
Jahren kennengelernt. Damals lebte ihr Mann noch. Vor einem Jahr ist er
gestorben, wahrscheinlich an einer Lungenentzündung. Mila ist sehr krank.«
    »Hast du ihr Medikamente gebracht?«
    »Ja. Schmerzmittel vor allem.«
    »Krebs?«
    »Die Schilddrüse. Sie hat dicke Knoten überall am Hals. Ich wollte
sie in ein Krankenhaus bringen, aber sie weigert sich. Also werde ich dieses
Jahr noch einmal hineinfahren, um nach ihr zu sehen.«
    »Und was hat sie dir mitgegeben?«
    »Sag mal, warst du beim KGB ?«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Weil du mich ausfragst. Oder würdest du das anders nennen? Ich
erzähle und erzähle hier, und du schlürfst deinen Kaffee, paffst dein
stinkendes Kraut und schweigst wie ein Grab. Woher kommst du? Was machst du in
der Zone, und weshalb hast du keine Arbeit, wie ein normaler Mensch?«
    »Was ich in der Zone mache, kannst du dir denken. Ein Wunder, dass
wir uns noch nie dort begegnet sind.«
    »Ein Plünderer bist du also, ein Leichenfledderer.«
    »Nenn es, wie du willst. Leichen hab ich jedenfalls noch keine gefunden
bei meinen Besuchen. Ich gehe nicht in die Häuser der Leute. Die sind alle
schon leer geräumt. Ich zerlege die Lastwagen, die da zur Hälfte
ausgeschlachtet herumstehen, und das, was von den Helikoptern noch übrig ist.
Dafür bin ich sozusagen Spezialist. Sind nicht mehr so viele verwertbare Teile
da, aber noch finde ich immer wieder etwas, das ich zu Geld machen kann. Das
ist jetzt mein Beruf.«
    »Du kennst dich mit den Helis aus?«
    »Die Tschetschenen können alles brauchen. Die bauen sich ihre
Hubschrauber aus lauter Schrottteilen selbst zusammen. Wie hoch die Teile
verstrahlt sind, ist denen total egal. Dort ist immer Krieg.«
    »Kannst du die Dinger auch fliegen?«
    »Ich glaube schon, dass ich es noch könnte. Ich hab’s jedenfalls mal
gekonnt …«
    »Warte mal«, unterbricht ihn Luba. »Da vorne sitzen zwei Jungs, die
ich aus dem Motorrad-Club kenne. Ich sag mal Hallo, bin gleich wieder da.«
    Wiktor sieht ihr nach. Sie hat beide Hände in die hinteren
Hosentaschen geschoben. Ihre Hüften sind sehr schmal. Wiktor kann der
Versuchung nicht widerstehen und greift in ihren Rucksack, den sie vergessen
hat mitzunehmen. Er fingert ein speckiges vergilbtes Blatt Papier aus dem
Umschlag und wirft einen raschen Blick darauf.
    Als Luba nach einigen Minuten zurückkommt, geht Wiktor Hände
waschen. Er muss nachdenken. Sein Instinkt sagt ihm, dass diese Zeichnung, die
die Alte Luba mitgegeben hat, eine Bedeutung hat, dass sie wichtig ist. Er kann
nicht sagen, warum. Er spürt es einfach. Aber wie soll er an diese Kratzbürste
Luba herankommen? Er entscheidet sich dafür, einfach ehrlich zu sein.
    »Luba, Mädchen«, setzt er an, als er wieder am Tisch sitzt.
    »Was denn?«
    »Ich glaube, ich kann dir helfen.«
    »Wobei denn?« Luba sieht ihn belustigt an.
    »Mit dieser Karte von der Alten.«
    »Du hast in meinen Sachen gewühlt?«, schreit Luba. »Was fällt dir
ein?« Sie reißt den Rucksack an sich, prüft, ob das Blatt noch im Umschlag
steckt.
    »Es ist alles da, mach dir keine Sorgen«, versucht Wiktor zu
beschwichtigen.
    »Das kommt also dabei raus, wenn man jemandem den Arsch rettet?«,
zischt sie ihn an. »Hast du deine Moral da drinnen gelassen, in der Zone?
Abschaum bist

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