Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall
Aufregung.
Hebrich zog die Brauen hoch, nickte aber dann. »Lasse sie ihn herein!«
Es dauerte nicht lange, bis Melchior Dudernixen hereingestolpert kam. Er hatte sich gut gekleidet und hielt das Barett vor die Brust gedrückt und den Blick gesenkt. Als er vor Hebrich stand, ging er ehrfürchtig in die Knie. »Werte Herrin, werter Krechting! Ich habe gewichtige Neuigkeiten, mit denen ich Euch belästigen muss.«
»Sprecht, Bader! Und seht mir dabei in die Augen!«
Dudernixen hob den Kopf an, öffnete die Handfläche und ließ einen silbernen Gegenstand hervorschauen. »Ich war in der Mordnacht am Siel und habe dort dieses Medaillon gefunden.«
Hebrich griff nach dem Schmuckstück. Ihre Augen waren sofort gefangen von der Abbildung auf der Oberfläche. Ihre Fingerkuppen glitten mehrfach darüber. Dabei schüttelte sie den Kopf, offenbar völlig verzaubert von der einzigartig schönen Abbildung auf dem Medaillon. Währenddessen hatte der Bader seinen Kopf wieder gesenkt, lugte aber listig hinter den Haarsträhnen hervor. Krechting war seine Haltung eine Spur zu demütig. Dennoch schwieg er, denn er wollte wissen, welche Geschichte ihnen der Bader auftischen würde.
Hebrich war sehr in das Schmuckstück vertieft. »Krechting, das sieht aus wie ein Kristall im Meer«, hauchte sie schließlich ehrfürchtig. »Es ist ein Kunstwerk, das seinesgleichen sucht.«
Krechting griff danach. Auch er war überrascht über die filigranen Linien, die sich durch das Silber zogen und zweifelsohne einen Kristall zeigten, der von den Wogen des Meeres umgeben war.
Hebrich hatte ihren Blick wieder auf Dudernixen gerichtet. »Nun, Bader, wie kommt Ihr an diesen Gegenstand? Was genau habt Ihr gesehen und gehört?«
Dudernixen hielt den Kopf jetzt so gesenkt, dass er mit dem Kinn seine Brust berührte. »Ich war in der Nacht des Mordes noch einmal am Siel. Wisst Ihr, werte Herrin, ich habe mein Weib gesucht. Seit dem Tod unseres Kindes ist sie oft wirr und irrt herum.«
»Ich habe Euch gefragt, wie Ihr an das Medaillon gekommen seid und was Ihr gesehen habt. Nicht, warum Ihr dort wart.« Hebrich erschien Krechting ungeduldig.
Dudernixen beugte den Oberkörper noch tiefer nach unten. Er machte jetzt förmlich einen Buckel. »Ich bitte um Verzeihung, Herrin. Ich habe am Siel den Kaufmann gesehen. Er stritt!«
»Mit wem?« Krechting stand auf und machte einen Schritt auf den Bader zu.
»Mit dem Mönch, der noch immer glaubt, dass hier niemand weiß, welch frevelhafter Gesinnung er ist.«
Hebrich zuckte merklich zurück, und auch Krechting musste einmal tief Luft holen.
»Es war der Mönch, dieser Katholik!« Dudernixen spuckte das letzte Wort förmlich aus.
Hebrich hob die Hand. »Das tut jetzt nichts zur Sache. Steht auf. Ich möchte Euch in die Augen sehen, wenn Ihr mir sagt, was ich eigentlich nicht hören möchte, weil es meine Pläne durchkreuzt.«
Dudernixen sah auf. Krechting konnte kurz das Augenpaar erkennen, und es erinnerte ihn an das einer listigen Schlange. »Ihr habt in der Mordnacht also den Mönch Garbrand, den Weggefährten Valkensteyns, am neuen Siel in einem Streit mit dem Kaufmann Friso van Heek gesehen?«, fasste Krechting das Gehörte zusammen und wollte, konnte es nicht glauben.
»So ist es«, bestätigte Dudernixen.
»Worüber haben sie gestritten?«, hakte Hebrich nach.
»Sie kannten sich scheinbar von früher. Aus England.«
»Aus England?«, kam es von Hebrich und Krechting gleichzeitig. Diese Anschuldigung war ungeheuerlich und gleichzeitig vielleicht die Verbindung, nach der sie lange Zeit gesucht hatten.
Dudernixen streckte den Körper durch. Er hielt dem Blick der Häuptlingswitwe stand, als er sagte: »Sie sind sich in England vor langer Zeit begegnet, und damals hat sich der Kaufmann dem Geistlichen gegenüber, sagen wir mal, nicht sehr ritterlich verhalten.«
»Kommt zur Sache!«, herrschte Krechting ihn an.
»Der Kaufmann hat diesem Papisten die Hilfe nicht zukommen lassen, die ein Bettler stets grundlos einfordert. Am Ende dieser Auseinandersetzung hat der Mönch dem Kaufmann eine Wunde zugefügt. Eine grausame Verletzung.«
Krechting nutzte die kurze Pause, die Dudernixen einlegte, um sich an die Narbe zu erinnern. Sie hatte sich über den ganzen Unterarm gezogen und war nicht zu übersehen. »Diese Narbe schmückte den Toten«, bestätigte er der Häuptlingswitwe. »Es scheint, wir sind auf der richtigen Spur.«
Der Bader trat nervös von einem Bein auf das andere. Er wollte noch
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