HISTORICAL Band 0272
verwechselte ihr Schweigen mit Scham und fuhr fort: „Nun, um ehrlich zu sein, eine Frau käme mir ganz gelegen.“
„Ihnen käme das Landgut ‚ganz gelegen‘, das mein Vater Ihnen im Gegenzug für meine Hand angeboten hat!“, erwiderte sie, äußerlich immer noch gefasst, aber mit kaum verhohlenem Zorn in der Stimme. „Um es klipp und klar zu sagen, Garrow: Ihre Frage war beleidigend. Ich habe es nicht nötig, zu heiraten. Durch eine Heirat kann ich nur verlieren.“
„Verlieren?“ Verwundert hob er die Augenbrauen.
„Ja, verlieren! Ich bin kein dummes kleines Ding – meinen Sie, ich weiß nicht, dass alles, was eine Frau besitzt, verdient, erbt, in das Eigentum ihres Ehemannes übergeht, der damit tun kann, was er will? Der mit ihr tun kann, was er will? Warum sollte ich so dumm sein und mich unters Ehejoch begeben?“
„Ah, ich verstehe. Eine emanzipierte junge Dame. Aus Ihnen spricht Mrs. Wollstonecraft?“
Susanna warf ihm einen skeptischen Blick zu. „Sie haben Mrs. Wollstonecrafts Buch gelesen?“
„Nein, ich habe nur davon gehört. Und momentan steht ja einiges in den Zeitungen über Engländerinnen, die Eigentumsrechte für Frauen fordern. Nun, unsere Gesetze sind menschlich und daher unvollkommen. Aber ich habe die Gesetze nicht gemacht, und ich kann sie auch nicht ändern“, meinte er. „Natürlich sind die Gesetze Frauen gegenüber nicht fair, was das betrifft. Es tut mir wirklich schrecklich leid für Sie …“ Hilflos hob er die Arme.
Susanna presste die Lippen aufeinander und verschränkte die Arme vor der Brust . Kein Mann will je für diese Unge rechtigkeit verantwortlich sein. Aber es gibt auch kaum einen, der daran etwas ändern will. Wozu auch? Ein be schwichtigendes „Es tut mir leid, da kann man nichts än dern“ ist ja auch so viel einfacher, als eine gerechte Sache zu unterstützen. Und dabei kann man noch persönlich von dem Unrecht profitieren. Aber ich bin es leid. Männer sind einfach zu dumm. Ich habe keine Lust, jeden einzelnen wie der und wieder auf dieselben Tatsachen hinzuweisen und um Verständnis zu betteln. Nein, heute nicht.
James sah Susanna an und fuhr, da sie schwieg, unsicher fort: „Ein Gut wie Drevers ist beileibe kein Pappenstiel. Wenn wir heiraten, dann werde ich dafür sorgen, dass Ihr Vater Ihnen den Landsitz überschreibt.“
„Und Sie meinen, das würde etwas ändern?“, gab Susanna mit einem spröden Lächeln zurück. „Für mich und Sie würde das gar nichts ändern! Sie sollten wissen, dass eine Frau nicht selbst über ihr Eigentum verfügen kann, Garrow!“
„Sie werden es können! Ich verspreche Ihnen, ich werde Ihnen Drevers irgendwie übereignen. Das wird schon möglich sein …. Im Gegenzug bestehe ich allerdings auf den Verwalterposten und angemessener Entlohnung für meine Arbeit. Ich muss an meine Pächter denken. Sie werden diese Verantwortung mit mir teilen, wenn Sie mich heiraten.“
„Ich kenne Sie gerade zehn Minuten, Mylord! Warum sollte ich Ihnen vertrauen?“, entgegnete sie mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Weil ich Ihnen mein Wort als Ehrenmann darauf gebe. Wäre ich nur an meinem eigenen Wohlergehen interessiert, dann wäre ich jetzt nicht hier. Ist Ihnen bewusst, dass mir gerade ein Tageslohn entgeht? Wenn ich nur auf Geld aus wäre, würde ich ja wohl eine Belohnung fordern!“
Sie wich einen Schritt zurück und stemmte die Hände in die Hüften. „Garrow – Sie und mein Vater mögen ja verrückt sein. Aber ich bin das noch lange nicht!“
Der Schotte lachte. „Dem Funkeln Ihrer Augen nach zu schließen sind Sie weitaus verrückter als wir beide zusammen. Hübsche Augen haben Sie übrigens.“
Ungläubig starrte Susanna den groß gewachsenen Mann an. „Warum ziehen Sie eine Heirat mit mir überhaupt in Erwägung? Ich bin nicht interessiert an Ihnen. Verstehen Sie nicht, dass ich Ihnen als Ehefrau das Leben zur Hölle machen könnte, Garrow? Haben Sie darüber schon nachgedacht?“
„Nun, Sie haben mich immerhin gewarnt. Nur eine Frage habe ich an Sie: Mögen Sie Glückspiele?“
Sie blinzelte, verwirrt über den plötzlichen Themenwechsel. „Wie bitte? Ob ich gerne … spiele?“ Nach der verlorenen Kartenpartie am gestrigen Abend hatte Susanna sich geschworen, Zeit ihres Lebens keine Spielkarten mehr anzufassen. Oder meinte der Schotte, dass die Ehe ein Glücksspiel sei, und erkundigte sich gerade bei ihr, ob sie sich auf dieses Spiel einlassen wollte?
„Ich spiele nicht gerne. Ich überlasse
Weitere Kostenlose Bücher