Historical Collection Band 5
drehte sich ruckartig um.
„Hier.“
Sie zog seine Scholarenkappe aus der Tasche und versuchte, mit der Hand den schwarzen Stoff glattzustreichen. Er bückte sich, damit sie ihm die Kappe aufsetzen konnte. Ihre Wangen waren gerötet, und sie war außer Atem von dem wilden Lauf durch die Straßen.
„Irgendetwas stimmt nicht“, sagte er.
„Ich weiß. Sie sitzt schief.“ Rose bemühte sich um die Kopfbedeckung, versuchte sie zu glätten und die Stoffquasten zu ordnen, die auf seinen Rücken fielen. Sie schien jeden Muskel anzuspannen, ihre Miene verriet keine ihrer Gedanken.
„Wie bist du überhaupt in die Wachstation hineingekommen, um den Oberaufseher zu treffen?“, fragte Cheng.
Sie vermied seinen Blick und kramte stattdessen in der Tasche herum. „Ich sagte dir doch bereits, dass ich jeden Beamten im Distrikt kenne.“
Jetzt endlich begriff er, was geschehen war, und streckte die Arme nach ihr aus. Er sprach mit bewegter Stimme.
„Rose.“
Sie drückte ihm sein Schreibkästchen in die Hand. „Geh rein, bevor du noch zu spät kommst.“
„Rose, du hast sie bestochen, damit sie mich freilassen.“
Der Gong erklang laut von dem Gebäude her und begann die Stunde zu schlagen. Ein anderer Student prallte gegen sie, weil er mit gesenktem Kopf und seinen Büchern unter dem Arm eilig in die Halle rannte, ohne auf den Weg zu achten. Rose lächelte dem jungen Mann zu, der sich entschuldigte und schnell um sie herum lief. Sie lächelte immer noch, als sie schließlich Chengs Blick begegnete. Es war sichtlich ein Versuch, ihre Traurigkeit zu verbergen.
„Geh endlich!“, kommandierte sie, aber sogar ihr Befehl hatte seine Schärfe verloren. Sie bürstete mit der Hand kurz vorn über seinen Talar und ordnete die Falten.
„Du kommst noch zu spät!“
Seine Hände verkrampften sich um die Schreibgeräte. Wenn er es schaffte, Jia für sich zu gewinnen, würde er sie nie wieder gehen lassen.
Der Gong hatte schon viermal geschlagen. Cheng blieb keine andere Wahl, als sofort in die Prüfungshalle zu eilen. Einmal noch schaute er kurz zurück und sah, dass Rose immer noch dastand und ihm nachsah. Sie hatte angstvoll ihre Hände verschränkt. Ihre großen Augen waren voller Furcht und Hoffnung.
Der Gong ertönte noch einmal, und es wurde Zeit für ihn, seinen Platz einzunehmen.
Die Prüfungen erstreckten sich über einen Zeitraum von drei Tagen. Jia spazierte mindestens dreimal an jedem dieser Tage an der Halle der Prüfungen vorbei, obwohl sie wusste, dass es sinnlos war, denn Cheng saß drinnen eingeschlossen und schrieb Kommentare über die fünf Klassiker und die großen Dichter. Sie vermied es auch sich selbst gegenüber, ihr Verhalten sentimental zu nennen. Es war nur Neugier, das war alles.
Am Ende der Woche versammelten sich die Scholaren vor dem Kopf der Schildkrötenskulptur, und die Namen wurden verlesen. Jia stand in der hintersten Ecke des großen Platzes und verbarg sich im Schatten einer dunklen Gasse. Cheng überragte alle anderen, und obwohl sie seinen Kopf nur von der Seite sehen konnte, erkannte sie, dass er erwartungsvoll das Haupt gesenkt hielt.
Die besten Prüfungsergebnisse wurden laut verlesen. Cheng war nicht darunter. Jia presste ihre Fingernägel so tief in die Handinnenfläche, dass es fast blutete. Die Namen der Zweitbesten kamen danach. Sie musste ihre Ohren anstrengen, als der Vorleser die Namen nacheinander von der Schriftrolle ablas. Als sie Chengs Namen hörte, hätte sie beinahe laut aufgeschrien vor Freude. Sie wäre gern zu ihm gelaufen, aber das wäre sehr unschicklich gewesen.
Seine Kollegen umringten ihn, um ihm zu gratulieren. Dann wurden die nächsten Namen verlesen, und es wurde wieder still, damit jeder auf dem Platz alles hören konnte. Cheng stand jetzt mit stolz gestrafften Schultern da, als er der Verlesung der restlichen Ergebnisse lauschte. Voller Freude beobachtete sie ihn.
Sie hatte sich verliebt. Es raubte ihr den Atem, als sie es sich selbst gegenüber endlich eingestand. Der bloße Anblick von Luo Cheng erfüllte sie mit Sehnsucht. Sein Glück war ihr Glück geworden.
Einmal drehte er den Kopf und schaute ohne Grund über seine Schulter nach hinten in ihre Richtung. Jia duckte sich mit glühendem Gesicht noch tiefer in den Schatten. Ihr Pulsschlag war unglaublich schnell, und sie geriet fast in Panik. Aber sie war viel zu weit von ihm entfernt, als dass er sie hätte sehen können. Es wäre ihr allerdings peinlich gewesen, wenn er sie entdeckt
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