Historical Collection Band 5
Heute jedoch wirkte sein Blick kühl und zurückhaltend. Trefors Körper war noch immer muskulös und breitschultrig, aber er war sehniger und härter geworden. Sein Gesicht war nun kantig und schmal und zeugte davon, dass der ehemals verwöhnte Sohn des verstorbenen Herrn von Llanpowell sich in der Zwischenzeit in vielen Schlachten als Krieger bewährt hatte.
„Ich danke dir, Bron“, sagte Trefor. „Du hast dich überhaupt nicht verändert.“
Sie errötete und sagte nichts, aber sie fand den Gedanken aufregend, dass der vornehme Sohn des Hauses sich noch an sie, einfache Dienstmagd, erinnerte. Damals, als er verbannt wurde, war sie fast noch ein Kind gewesen. Mit einem Mal fühlte sie sich so beschwingt, als könne sie bis an die Deckenbalken der Halle fliegen.
Vielleicht wollte er mir aber auch nur ein Kompliment machen wie jeder anderen Frau, dachte Bron und ging mit Owain in die Küche. Ihre Aufregung legte sich so schnell, wie sie gekommen war. Trefor war schon immer ein liebenswürdiger Mann gewesen. Früher war er als Ältester der Lieblingssohn des Lords gewesen, und vor ihm schien ein glückliches, gesegnetes Leben zu liegen. Dann aber war Trefor zu seiner eigenen Hochzeit betrunken aus einem Freudenhaus gekommen. Die Verwandten der Braut waren darüber so erbost, dass sie mit einem sofortigen Ende der seit drei Generationen bestehenden Verbindung zwischen den Familien drohten. Um das zu verhindern, hatte Trefors jüngerer Bruder Madoc die Braut geheiratet und war zum Erben seines Vaters bestimmt worden. Trefor hingegen bekam von seinem Vater nur ein kleines Landgut übereignet. Die beiden Brüder blieben erbitterte Feinde, bis Madoc heute endlich die Wahrheit über Owains Vaterschaft enthüllt und so Frieden zwischen ihnen geschlossen hatte.
„Ist es wirklich wahr?“, fragte der Koch Hywel, als Bron und Owain die Küche betraten. „Der Junge ist nicht Madocs Sohn, sondern Trefors?“
„Es scheint so“, erwiderte Bron ruhig. Sie stellte fest, dass auch die übrigen Bediensteten untätig in der Küche herumstanden.
„Genau seine Augen!“, rief Rhonwen aus. Ihre Hände waren mit Mehl bedeckt, aber die Brotschüssel stand unbeachtet neben ihr.
Owain klammerte sich fest an Brons Hand, und sie wollte ihn schnell beruhigen.
„Haben wir noch Honigkuchen?“, erkundigte sie sich und führte den Jungen zu einer Sitzbank an einem der Arbeitstische in der großen, warmen Küche.
„Oh ja“, meinte Lowri, eine ältere Frau, die gerade dabei war, Lauch für ein Schmorgericht in Stücke zu schneiden. „Ich hole ihn.“
Auf dem Weg in die Vorratskammer hielt Lowri kurz an und tuschelte mit Rhonwen. Sie schauten auffällig herüber zu Bron, die Trefors Namen auffing und errötete. Damals hätte sie zurückhaltender sein sollen, aber sie hatte ihre Bewunderung für den Sohn des Lords wohl zu deutlich gezeigt. Jedermann wusste, wie betrübt sie gewesen war, als er verstoßen wurde. Die Vergangenheit war nicht mehr zu ändern, aber von nun an würde sie vorsichtiger sein und ihre Gefühle für sich behalten.
Lowri kehrte mit zwei kleinen Honigkuchen zurück, die der Junge verschlang, als wäre er am Verhungern.
„Bleibt Trefor heute eigentlich hier?“, fragte Rhonwen. „Oder reist er nach Pontyrmwr zurück, bevor es dunkel wird?“
„Ich weiß es nicht“, erwiderte Bron wahrheitsgemäß. Es gelang ihr, zu klingen, als würde es sie nicht besonders interessieren.
„Geh und erkundige dich“, befahl Hywel. „Ich muss es wissen, damit ich …“
Der Koch verstummte, als Trefor persönlich in die Küche trat. „Hywel, auch noch hier, wie ich sehe“, bemerkte er mit seiner tiefen Stimme, die so klangvoll und melodisch war wie die eines Hofsängers.
„Die Stimme der Versuchung“ hatten ihn früher die Frauen genannt, und das gewiss zu Recht. Jedoch hatte er damals nicht versucht, Bron zu verführen, noch ihr jemals besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Hywel nickte zur Begrüßung und wischte seine Hände an der Schürze ab, die um seine ausladende Mitte gebunden war.
„Und Rhonwen und Lowri auch. Wie in alten Zeiten, was?“
Also erinnerte er sich noch an alle. Sie war eine Närrin gewesen, es für bedeutsam zu halten, dass er ihren Namen noch kannte. Offensichtlich war er auch immer noch genauso charmant wie einst und dadurch bei vornehmen wie einfachen Leuten gleichermaßen beliebt.
„Hast du genug gegessen, damit du bis zum Abendessen durchhältst, mein Sohn?“, fragte er Owain, und
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