Historical Exclusiv Band 44
ich Euch die Wahrheit sage, werdet Ihr sie glauben“, flüsterte sie, während er sich abwandte.
Fröstelnd und allein unter einem Himmel, der ihr dunkler schien denn je, verschränkte sie die Arme, um ihn nicht zurückzuhalten. Er ging die Treppe hinunter.
3. KAPITEL
N ach der Messe fand Solay nur eine Stunde Schlaf, dann verbrachte sie den Feiertag damit, Justin zu beobachten. Sie fragte sich, ob er vorhatte, ihre Lüge zu verraten. Erschöpft fand sie endlich Gelegenheit, sich zurückzuziehen, sobald der König das Festessen verlassen hatte.
Doch ihre Ruhe währte nur kurz. Vor Einbruch der Dunkelheit eilte Lady Agnes in den Raum, ein weißes Gewand und zwei kahle Zweige über dem Arm tragend. „Hier ist mein Kostüm für das lebende Bild.“ Sie hielt das einfache, fast weiße Hemd hoch und die Zweige über ihren Kopf. „Werde ich nicht wie ein Hirsch aussehen?“
Ein Klopfen an der Tür enthob Solay einer Antwort. Agnes würde eher einem gehörnten Engel gleichen als einem weißen Hirschen.
An der Tür überreichte ein Page, der eine Livree mit drei goldenen Kronen auf schwarzem Grund trug, Agnes eine Nachricht und lief davon. Sie las sie und schloss dann lächelnd die Tür.
„Ich brauche Euch, bitte übernehmt meine Rolle bei dem lebenden Bild“, flüsterte sie.
„Es wäre mir eine Ehre“, erwiderte Solay, während sie noch versuchte, die Livree des Pagen zuzuordnen, die ihr vage bekannt vorgekommen war. Wie kühn, das Fest des Königs wegen eines persönlichen Schäferstündchens zu versäumen. War es die Lust, die einem Menschen so den Kopf verdrehte?
„Rasch. Wir haben nicht viel Zeit.“ Agnes half Solay in das ungefärbte Gewand, zog ihr eine Leinenkapuze über das Gesicht und befestigte die Zweige auf ihrem Kopf.
„Sagt mir, was ich tun muss.“ Unter der Kapuze kniff Solay die Augen zusammen, um durch die Sehschlitze etwas zu erkennen.
„Beobachtet nur die anderen, die ebenfalls in Weiß gekleidet sind. Macht dasselbe wie sie und werft Euch am Ende demjenigen zu Füßen, der den König spielt.“ Agnes hörte auf, an dem Gewand zu zupfen, und spähte durch die Schlitze in der Kapuze, um Solay in die Augen zu sehen. „Sie müssen Euch für mich halten.“
Hinter der Kapuze lachte Solay. „Ich bin verkleidet und erst vor Kurzem an den Hof gekommen. Wer soll mich erkennen?“
„Gestern hat Euch jeder gesehen.“
Jeder hatte neugierig beobachtet, wie der König sie demütigte, das war es, was Agnes meinte. Und dann natürlich waren die Männer gekommen, um sie genau zu betrachten.
Aber nur Lord Justin hatte sie wirklich angesehen.
Agnes drückte Solays Hand. „Bitte nehmt nicht die Kapuze ab, egal, was geschieht. Zu viele wissen, welche Rolle ich spiele.“ Agnes öffnete die Tür einen Spaltbreit, blickte in alle Richtungen und schob Solay dann in den Gang hinaus. „Und danke“, flüsterte sie.
Solay schlich die Treppe in die Große Halle hinunter und stützte sich an der kalten Steinmauer ab, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Die Zweige schaukelten auf ihrem Kopf. Da sie unter der weißen Kapuze nicht zu erkennen war, fühlte sie sich seltsam frei, als sie in die Halle trat.
Bis sie Lord Justin sah.
Er hielt den Kopf gesenkt und stand mit drei anderen Männern zusammen. Natürlich war er nicht kostümiert. Dieser Mann lehnte es ab, sich oder seine Gefühle zu verbergen.
Als sie auf die Gruppe der Maskierten am Ende der Halle zuging, folgte er ihr mit seinem Blick. Nun, da sie wusste, dass er sie beobachtete, bemerkte sie, dass unter Agnes’ Kostüm ihre Knöchel zu sehen waren und es ihr um die Hüften zu weit war. Sie kehrte ihm den Rücken zu und berührte ihre Kapuze, um sicherzugehen, dass ihr Haar bedeckt war. Eine einzige schwarze Locke würde genügen, um sie zu verraten.
Der Herold des Königs bat um Ruhe, und sie widmete ihre Aufmerksamkeit dem lebenden Tableau. Wie ein Spiegelbild stellte die Szenerie den König dar, der sie beobachtete. Ein falscher König saß auf einem nachgebauten Thron. Himmlische Wesen in Blau umgaben ihn, wilde Tiere lagerten sich ihm zu Füßen.
Als sie ihren Platz einnahm, schien ihr der Hof ebenso Fassade zu sein wie dieses Spiel, schön an der Oberfläche, doch die wahre Natur jedes Mitspielers blieb verborgen. Während sie am Fuße des falschen Throns kniete und den Applaus hörte, fragte sie sich, welcher Mitspieler wohl das Gewand von Agnes’ Liebhaber trug.
„Aufstehen. Jetzt“, flüsterte jemand hinter ihr.
Die
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