Historical Exclusiv Band 44
lieben, wenn ich Euch nicht kenne? Als Eure Gemahlin werde ich Euch mit Speisen erfreuen müssen und mit Kleidung nach Eurem Geschmack.“ Sie lächelte, um seine Widerrede im Keim zu ersticken. „Ja, ich weiß, Ihr habt noch nicht Euer Einverständnis gegeben zu einer Heirat mit mir.“
„Dann sprecht von Euch. Hattet Ihr je ein Haustier?“
Die plötzliche freudige Erinnerung brachte sie zum Lachen. „Ich hatte einen Papagei.“
„Einen Papagei?“ Er lächelte. „Hat er gesprochen?“
„Ich plapperte Unsinn, und er antwortete“, erinnerte sie sich. Sie hatten einander Gesellschaft geleistet, der leuchtend grüne Vogel, der von der anderen Seite der Erde stammte, und das einsame kleine Mädchen, das in geborgten Häusern lebte. „Ich glaube, wir haben einander das Sprechen beigebracht.“
Sie warf einen Blick auf den Fährmann und flüsterte dann, sodass dieser ihre schlimmen Taten nicht hören konnte. „Einmal nahm ich ihn mit nach draußen, und es begann zu regnen. Er wurde so ängstlich! Er kreischte immerzu!“
Sie schüttelte den Kopf und hob die Schultern, genau wie ein Vogel, der sich aufplusterte. Dann rief sie „baak, baak!“, ahmte den Ruf des Papageis nach, wie sie es früher getan hatte, um ihre Schwester Jane zu täuschen.
Mit großen Augen sah der Fährmann sich zu ihr um, und sie begann zu kichern.
Justin, der zunächst starr war vor Schrecken, brach in Gelächter aus, ein kehliger Laut, der tief aus seiner Brust kam. „Das klang genau wie ein Vogel! Was wurde aus ihm?“
Ihr Lachen verstummte. „Wir mussten ihn zurücklassen.“
Nach dem Tod des alten Königs waren sie mitten in der Nacht aus dem Palast geflohen und hatten so viel Schmuck mitgenommen, wie sie in der Dunkelheit zusammenraffen konnten. Einen nutzlosen Vogel mitzunehmen, um ein Kind zu trösten, dafür blieb keine Zeit. Nur ein König konnte für so etwas Geld ausgeben.
„Es tut mir leid“, sagte Justin.
Sie starrte ihn an und konnte die Worte nicht glauben. Niemandem hatte sie je leidgetan. Viele, wie die Frau an der Tür, waren ihr feindselig gegenübergetreten. Die meisten hatten nur geflüstert und sie angestarrt.
„Danke“, sagte sie schließlich.
Aus Furcht, den zerbrechlichen Frieden zu stören, saß sie schweigend da, bis sie Westminster erreichten.
Das Boot berührte den Anlegesteg. Justin stieg aus und reichte ihr dann seine Hand. Seine Berührung wärmte sie, und die Wärme war vermischt mit der Sehnsucht nach mehr.
Gib nicht nach. Samt und Hermelin des Königs werden dich und deine Familie noch wärmen, wenn dieser Mann schon lange kalt ist.
Als sie wieder festen Boden unter den Füßen hatte, ließ sie ihn los. Sie wusste genug, um eine Geschichte zu spinnen, die den König zufriedenstellen würde. „Bei Tagesanbruch werde ich nach Windsor reisen.“
Er warf ihr einen prüfenden Blick zu. „Ihr fühlt Euch gut genug?“
Verwirrt erinnerte sie sich endlich an ihre am Morgen vorgetäuschte Krankheit. „Ganz gut, danke. Innerhalb einer Woche solltet Ihr Eure Einladung an den Hof erhalten.“
„Wenn ich bis Mariä Lichtmess nichts vom König höre, wird er vom Rat hören.“ Er ging neben ihr her. „Wer wird den König begleiten? Hibernia?“
Und plötzlich fürchtete Solay, den Namen zu kennen, der auf dem Dokument stand, das er bei den Anwaltskammern zurückgelassen hatte.
Sie zuckte die Achseln und mied seinen Blick. „Ich weiß nicht“, log sie. „Ich danke Euch, dass Ihr mich nach London mitgenommen habt“, sagte sie dann und schmiegte sich tiefer in ihren Umhang. „Ich habe so viel über Eure Arbeit erfahren, und es interessiert mich so sehr. Diese Vorladung zum Beispiel. Wessen Name steht darauf?“
Plötzlich kannte Justin den Grund für ihren Besuch, für das Interesse der „zukünftigen Gemahlin“ an seiner Person und die endlosen Fragen zu seiner Arbeit. Welch ein Narr war er doch gewesen, sich von rührseligen Geschichten über verlorene Papageien und Häuser am Fluss täuschen zu lassen. „Sagt dem König, er wird es bald genug erfahren, Lady Solay.“
Sie sah ihn an mit großen, unschuldigen Augen. „Was meint Ihr damit?“
Er ignorierte den Schmerz in seinem Innern. Was war seiner ehrlichen Zunge entschlüpft, das der König noch nicht wissen durfte? Alles nur, weil er für einen Augenblick gedacht hatte, dass ihr Interesse an der Arbeit des Gesetzes ehrlich war.
„Ihr seid nicht um des Vergnügens meiner Gesellschaft willen durch den Schnee
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