Historical Exklusiv Band 20
damit man dort von unserer baldigen Ankunft weiß. Wenn die Beerdigung noch nicht vonstatten gegangen ist, wird der Bischof gewiss auf uns warten.“
Er setzte den Jungen vorsichtig neben den alten Tiarnan in den Karren. Die beiden anderen Verwundeten und Sir Edward mussten sich wohl oder übel den noch verbleibenden engen Raum teilen. Für Keelin war nun kein Platz mehr. Es blieb ihr keine andere Wahl, als auf einem der Pferde zu reiten.
Die Streitrosse waren in ihren Augen unglaublich groß, und sie war sich nicht sicher, ob sie überhaupt in der Lage war, auf eines der Tiere zu steigen, geschweige denn, darauf zu reiten. Sie war nie viel geritten und hatte in all den Jahren, die sie nun schon auf englischem Boden weilte, auf keinem Pferd mehr gesessen.
Als die kleine Schar bereit war, sich auf den Weg zu machen, stand Keelin unsicher vor einem der Tiere. Die neugierigen Blicke von Marcus entgingen ihr.
„Könnt Ihr reiten?“, fragte er schließlich und rüttelte Keelin auf.
Sie wandte sich ihm nur halb zu, behielt das Ehrfurcht gebietende Ross im Auge und erwiderte: „Ja, ein bisschen, aber ich bin schon seit Jahren nicht mehr geritten.“
„Wenn Ihr …“, begann Marcus zögerlich und warf einen Blick auf den Karren, um sich zu vergewissern, dass dort tatsächlich kein Platz mehr war, „wenn Ihr Euch unsicher fühlt mit dem … Pferd, dann … könntet Ihr mit mir reiten.“
Nichts wäre ihr lieber gewesen, als sich in der Geborgenheit seiner Arme wiederzufinden, aber Keelin wusste, dass dies nicht möglich war. Denn in den vergangenen Tagen war Lord Wrexton zu eifrig darum bemüht gewesen, Abstand zu ihr zu halten.
Sie hatte sich fortwährend eingeredet, dass sein Benehmen sie nicht kränkte und sein ablehnendes Verhalten ihr nichts ausmachte.
„Habt Dank, Mylord“, sagte sie gefasst, doch die Kehle schnürte sich ihr vor Unbehagen zu. „Wenn Ihr mir ein wenig beim Aufsitzen helft, werde ich auf diesem Tier bis nach Wales reiten, wenn es sein muss“, versuchte sie zu scherzen.
Wieder zögerte Marcus, und Keelin wusste, dass er sie nur widerwillig berühren mochte. Sie spürte, dass heiße Tränen in ihre Augen schossen, und wandte sich rasch ab. Dann nahm sie unverzüglich die Zügel und führte das Pferd entschlossen zu dem Baumstumpf, auf dem sie gesessen hatte, als Marcus die Wunde am Hals versorgt hatte. Ich werde ohne ihn auf dieses Tier steigen, dachte sie trotzig, und Marcus de Grant kann seinen Abstand wahren.
„Mylady“, sagte er und versuchte nun etwas unbeholfen, ihr seine Hilfe anzubieten.
„Macht Euch keine Umstände, Mylord“, entgegnete sie kurz angebunden. „Ich komme schon zurecht.“
Sie sah, wie dem jungen Grafen die Röte ins Gesicht stieg, bevor sie sich auf den Baumstumpf stellte. Ehe sie sich jedoch versah, umfasste er ihre Taille und hob sie auf den Rücken des mächtigen Rosses.
Es verschlug ihr den Atem, als sie schließlich auf dem unruhig tänzelnden Pferd saß. Marcus reichte ihr die Zügel. „Glaubt Ihr, Ihr könnt …? Dieser Sattel ist etwas …“
„Es wird schon gehen“, erwiderte sie atemlos und zog beide Beine auf eine Seite des Pferdes. „Habt Dank, Mylord.“
Marcus hatte sich nie zuvor derart schutzlos gefühlt. Sein dürftiger Tross bestand aus einem alten Karren mit Verwundeten, einer Frau, die sich sichtlich unwohl auf dem Rücken eines Streitrosses fühlte, und aus gerade mal zwei unversehrten Rittern. Deshalb bemühte er sich, stets den Waldrand, den Weg und auch die Bäume über den Reitern wachsam im Auge zu behalten. Einen weiteren Angriff durch die Kelten würde vermutlich keiner von ihnen überleben.
Vor dem Aufbruch hatte er, um sicherzugehen, zusammen mit Sir Roger die Gegend nach möglichen Feinden abgesucht. Da sie auf keine augenfälligen Spuren gestoßen waren, hatte Marcus den Entschluss gefasst, die Hütte zu verlassen. Je eher er Adam und die anderen Verletzten nach Wrexton bringen konnte, desto besser.
Es ging ihm nicht aus dem Kopf, wie sich Lady Keelins geschmeidiger Körper angefühlt hatte, als er ihr auf das Pferd geholfen hatte. Auch die Leichtigkeit und Anmut, mit der sie sich bewegte, war ihm nicht entgangen, als sie sich so auf den Sattel setzte, wie es die vornehmen Damen zu tun pflegen.
Keelin war nun in Mantel und Kapuze gehüllt, und Marcus fiel erst jetzt auf, dass sie in den letzten Tagen keine Kopfbedeckung getragen hatte. Das Haar war ihr lang und offen über die Schultern gefallen, und er hatte von
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