Historical Exklusiv Band 20
was geschehen wäre, wenn sie das Gebäude nicht verlassen hätte. Er wäre den Reizen dieser wunderschönen Frau erlegen und hätte seiner Begierde freien Lauf gelassen. Hätte er dies mit seiner Ehre und seinem ritterlichen Verhalten vereinbaren können?
War es eine Art von Magie, der er sich nicht entziehen konnte?
Marcus konnte nicht sagen, ob es sich um Zauberei handelte oder nicht, doch er wusste, dass es niemanden gab, dem er sich in diesem heiklen Punkt anvertrauen konnte. Für gewöhnlich würde ein Mann in seiner Stellung sich an einen Geistlichen wenden. Wrextons Priester war jedoch nicht gerade ein besonders toleranter Mensch. Für sein Empfinden nahm Pater Pygott das Kirchenrecht allzu wörtlich und ließ keinerlei abweichende Deutungen zu, die seiner Auffassung von Wahrheit zuwiderliefen.
Das Urteil des Geistlichen könnte sich ebenso gut gegen die junge Irin wenden, zumal der Pater „Fremden“ mit Argwohn begegnete. Marcus bezweifelte, dass Keelin dem kritischen Blick des Burgkaplans standhalten könnte, und deshalb musste er aufpassen, dass Pater Pygott nicht von ihrer „magischen“ Lanze erfuhr oder von den Visionen hörte, die ihr die Zukunft zeigten.
Je länger er darüber nachdachte, desto überzeugter war er, dass Pygott keine Erklärungen für Keelins Fähigkeiten hinnehmen würde, die jenseits seiner Erfahrungswelt lagen, und sie bedenkenlos verdammen würde.
Keelin war nicht in der Großen Halle, als Marcus eintrat. Isolda und Beatrice hingegen standen in einer Ecke und tuschelten miteinander, während die Zofe wild mit den Händen gestikulierte.
Als eine Magd an den beiden Frauen vorbeigehen wollte, stellte Isolda das arme Mädchen sofort wegen irgendeiner Unregelmäßigkeit zur Rede. Ihre Stimme klang hart und unerbittlich. Marcus zuckte bei der Schärfe ihres Tonfalls zusammen, aber er verspürte kein Verlangen, sich in die Angelegenheiten des Haushalts einzumischen. In absehbarer Zeit würde er einen Gemahl für Isolda finden, und dann würden sie und ihr Mann Wrexton für immer verlassen.
Als er die Stufen der großen Treppe erklomm, fragte er sich allerdings, ob die Dienerschaft von Wrexton Castle die Launen von Lady Coule noch lange würde ertragen können.
12. KAPITEL
Keelin war erleichtert, dass ihr Onkel sie nicht sehen konnte, denn sie wusste, dass ihre Wangen vor Leidenschaft glühten. Tiarnan wäre sicher nicht begeistert, wenn sie sich auf eine Affäre mit dem Grafen von Wrexton einließ, und sie wollte nicht, dass der alte Mann erfuhr, wie töricht sie sich verhalten hatte.
Für sie gab es hier in Wrexton keine Zukunft – das wusste sie nur zu gut. Zum ersten Mal verspürte sie eine brennende Sehnsucht in ihrem Innern, und sie gestand sich ein, dass sie bereits mit ganzem Herzen an Wrexton Castle hing. Und dennoch würde sie sich bald zwingen müssen, einzig und allein an ihre Heimat zu denken.
„Keely, mein Mädchen?“, fragte Tiarnan.
„Ja, Onkel“, erwiderte sie, „ich bin es.“ Sie erkannte kaum ihre Stimme wieder, denn sie schluckte und kämpfte gegen Tränen an, als sie versuchte, ihre Gefühle zu unterdrücken. Tiarnan würde zweifelsohne ihren wahren Gemütszustand erraten.
„Was hat dich so mitgenommen, meine Kleine?“, fragte der Alte.
„Oh, gar nichts“, entgegnete sie. Jetzt, da sie wusste, dass Marcus Ga Buidhe an Lamhaigh hatte, würde alles gut werden. Sie hielt ihre Tränen zurück, als sie zu Adam hinüberblickte, der bleich und geschwächt in seinem Bett lag. „Wie geht es dir?“, erkundigte sie sich.
„Besser, Keelin“, erwiderte der Junge. „Onkel Tiarnan hat mir die ganze Zeit von Kerry und Carraun … Carrauntoohil erzählt. Ist der Ort wirklich so wundervoll, wie er sagt?“
„Ja“, sagte sie und versuchte zu lächeln, als sie sich neben Adam auf das Bett setzte, doch Tränen schimmerten in ihren Augen. „Es ist dort wahrlich wundervoll.“
„Kann ich eines Tages nach Kerry?“
„Die Reise dorthin ist lang und beschwerlich“, erklärte Keelin. „Es ist keine Seereise, die man aus einer Laune heraus unternimmt.“
„Wirst du jemals dorthin zurückkehren?“, wollte Adam wissen.
Sie nickte. „Ja“, kam es leise von ihren Lippen. „Ich muss. Mein Clan braucht mich.“
„Warum?“, fragte der Junge. „Du bist schon lange fort. Können deine Leute nicht noch länger ohne dich auskommen?“
Warum eigentlich nicht?, dachte sie, doch im selben Augenblick schalt sie sich für diesen Gedanken. Die O’Sheas
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