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HISTORICAL JUBILÄUM Band 03

HISTORICAL JUBILÄUM Band 03

Titel: HISTORICAL JUBILÄUM Band 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: RUTH LANGAN
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Doch jetzt hatte sie die Absicht, die wenigen Momente des Alleinseins auszukosten.
    Sie brauchte eine Weile, bis sie feststellte, dass sie nicht allein war. Der süße Duft von Pfeifentabak stieg ihr in die Nase.
    Verärgert sah sie sich um und entdeckte eine Gestalt an der Reling.
    Gryf. Ihr Herz begann schneller zu pochen, bevor es wieder im natürlichen Takt schlug.
    Gray hatte Pfeife geraucht. Nach Monaten auf See war er nach Hause zurückgekehrt und hatte ihr erzählt, er habe eine Pfeife schätzen gelernt. Insbesondere spätabends, wenn er allein an der Reling an sein Zuhause gedacht habe. Und an sie.
    Der Schmerz überfiel sie so schnell und unerwartet, dass sie beinahe strauchelte. Dann atmete sie tief durch, um sich zu beruhigen, und warf dem Mann einen Blick zu, der an der Reling stand. Er schien so allein. So verloren.
    Als hätte er gespürt, dass sie ihn beobachtete, löste Gryf sich von der Reling und kam auf sie zu.
    „Ich dachte, ich sei allein an Deck.“ Darcy fragte sich, ob er bemerkt hatte, wie atemlos sie war.
    „Tut mir leid. Ich kam nach oben, um zu rauchen. Ich hoffe, es macht Euch nichts aus.“
    „Nein. Ich … mag den Duft von Tabak. Kommt Ihr öfter so spät am Abend an Deck, um zu rauchen?“
    „Ja. Und um die Sterne zu beobachten. Man konnte sie einige Nächte nicht sehen.“
    „Das habe ich bemerkt.“
    Er deutete mit der Pfeife nach oben. „Dort ist Pegasus.“
    Erstaunt sah sie ihn an. „Das stimmt. Das geflügelte Pferd.“ Sie nahm eine Hand vom Steuer und deutete über seine Schulter auf den Nachthimmel. „Erkennt Ihr auch das Sternbild dort?“
    Gryf drehte sich um und sah angestrengt nach oben. „Ja. Orion, der Jäger. Er wird gejagt von Scorpius, dem riesigen Skorpion.“
    „Woher kennt Ihr die Sternzeichen?“
    Er zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht, woher. Ich kenne sie einfach. Warum fragt Ihr?“
    Darcy versuchte zu schlucken, doch ihre Kehle war wie zugeschnürt. „Ein … Freund, der auf See gewesen war, kehrte zurück und berichtete mir von der griechischen Mythologie. Von Pegasus, Orion und Scorpius. Und von den anderen Sternen und Konstellationen.“
    „Vermutlich habe ich das auch von einem Seemann gehört.“
    „Oder vielleicht wart Ihr selbst ein Seemann.“
    „Mag sein. Ich weiß es nicht.“
    Er stand ein wenig zu nah bei ihr. Sie konnte die Hitze seines Leibes spüren, den süßen Duft des Tabaks einatmen, ein Duft, der so viele Erinnerungen weckte.
    „Mein Großvater liebte die Sterne. Er kannte sie alle. Ihre Namen. Und ihre Mythen.“
    „Ist er ein Seemann?“
    „Ja. Wie mein Vater und mein Bruder es waren“,erwiderte sie leise.
    „Waren.“ Er hatte den Schmerz in ihrer Stimme gespürt. „Sie sind tot?“
    Darcy nickte. „Mein Vater und mein Bruder James starben auf See. Als wir davon erfuhren, beschlossen meine Schwestern und ich, unser Familiengeschäft allein fortzuführen.“
    „Das ist ein großes Unterfangen. Seid Ihr bei der Mannschaft auf viel Widerstand gestoßen?“
    „Zuerst haben sie sich ein wenig gesträubt. Doch sie fanden sich rasch damit ab, als sie sich bewusst machten, dass wir alle erfahrene Seeleute sind. Jetzt werden wir für das, was wir tun, anerkannt.“
    „Wenn Eure Schwestern Eure Fähigkeiten besitzen, ist mir klar, warum man Euch widerstandslos akzeptiert.“ Es klang bewundernd.
    Sie spürte, dass ihr die Röte in die Wangen stieg, und war froh über die Dunkelheit.
    Eine ganze Weile schwiegen sie, während er rauchte und sie das Steuerrad hielt.
    Schließlich atmete Darcy tief durch. „Diese späten Stunden sind mir die liebsten.“
    „Warum?“
    „Weil die Arbeiten erledigt sind. Die Mannschaft ruht sich aus. Und ich fühle … mich denen nahe, die ich liebte und verloren habe. Ich kann in ganz unterschiedlichen Erinnerungen schwelgen. Erinnerungen an glücklichere Zeiten.“
    Sie hatte die Worte gerade ausgesprochen, als ihr bewusst wurde, wie hart sie jemandem vorkommen mussten, der solche Erinnerungen nicht hatte.
    „Vergebt mir, Gryf. Ich hatte vergessen …“
    „Schon gut.“ Er klopfte die Pfeife an der Reling aus. Als sie ausgekühlt war, steckte er sie in die Tasche. „Die meisten Menschen haben ihre Erinnerungen. Ich hingegen habe nichts als Leere, wo eigentlich meine Erinnerung sein müsste.“
    Das Mondlicht schimmerte auf dem dunklen Wasser und tauchte die See in einen silbrigen Glanz.
    Gryf stützte sich auf die Reling, um die Schönheit des Augenblicks in sich aufzunehmen.

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