Historical Lords & Ladies Band 40
meiner Tür vorbeigehen … In einer Stunde würden die Dienstboten erwachen. Dann wollte sie einen Lakaien ins herrschaftliche Schlafgemach schicken, um herauszufinden, ob Christian friedlich in seinem Bett lag. Oder sollte sie sofort hingehen und selber nachschauen?
Nach einem kurzen Kampf zwischen ihrer Angst und den Geboten der Schicklichkeit ergriff sie die Kerze und verließ ihr Zimmer. Dabei tröstete sie sich mit dem Gedanken, dass sie aus lauteren Motiven handelte. Falls sie Christian antreffen und wecken würde, konnte sie in knappen Worten den Grund ihres nächtlichen Besuchs erklären und sofort wieder verschwinden.
Bedauerlicherweise brauchte sie gar nichts zu erklären. Das große Vier-Pfosten-Bett war leer. Trotzdem weigerte sie sich, an das Schlimmste zu glauben. Sie beschloss, sich die Zeit bis zum Morgen mit einem Buch zu vertreiben, und stieg die Treppe hinab.
Als sie die Tür zur Bibliothek öffnete, hätte sie der unerwartete Anblick Christians, der am Schreibtisch saß, erleichtern müssen. Doch sie merkte sofort, dass er betrunken war. Neben seinem Ellbogen stand eine fast leere Flasche. Unverwandt starrte er das Porträt seiner Frau an.
Nach einer Weile wandte er sich zu Megan. „Ich nehme an, du bist aus einem bestimmten Grund hierhergekommen“, begann er mit erstaunlich klarer Stimme. Dann stand er schwankend auf. Also war der unmäßige Alkoholkonsum doch nicht völlig spurlos an ihm vorübergegangen. Irgendetwas fiel ihm aus der Hand. Weil sie fürchtete, er könnte in seinem Zustand hinfallen, wenn er sich danach bückte, eilte sie ihm zur Hilfe. Hastig ergriff sie den Gegenstand, legte ihn auf den Schreibtisch – und erkannte verblüfft ihre Miniatur. „Offenbar konntest du nicht schlafen.“ Sein warmer Atem, der nach Brandy roch, streichelte ihre Wange. „Warst du besorgt um mich, meine süße Megan?“
Viel zu intensiv spürte sie seine Nähe und sah, wie er ihren offenen Morgenmantel betrachtete, das schlichte Nachthemd, das sie darunter trug. „Natürlich hatte ich Angst …“ Mit zitternden Fingern stellte sie die Kerze neben die Miniatur. „Nachdem Mr Kent drei Mal versucht hatte …“
„In Wirklichkeit heißt er Berringham, meine Liebe. Seit seiner Rückkehr aus Italien vor drei Jahren nennt er sich Kent. Wie ich bereits erwähnte, wuchs meine Frau zusammen mit ihrem Vetter auf, und es waren nicht nur platonische Gefühle, die sie miteinander verbanden.“ Er legte einen Arm um Megans Schultern und führte sie zum Kamin. „War sie nicht wunderschön? Welcher Mann wäre nicht stolz auf eine solche Ehefrau?“ Sein freudloses Gelächter dröhnte schmerzhaft in ihren Ohren. „Nun, ich empfand keinen Stolz. Wie konnte ich – nachdem ich meine große Liebe verlassen hatte, um ein solches Flittchen zu heiraten?“
Megans Atem stockte. Gewiss, seine Ehe war unglücklich gewesen. Aber am Anfang musste er Louisa doch geliebt haben … Nein, was er da sagte, meinte er nicht ernst. Der Brandy benebelte seinen Verstand. Oder er hatte von Lancelot Berringham etwas erfahren, das ihn mit diesem ungewöhnlichen Hass erfüllte. Zahllose Fragen gingen ihr durch den Sinn. Doch sie kam nicht dazu, auch nur eine einzige zu stellen.
Wie es geschehen war, wusste sie später nicht. Jedenfalls lag sie plötzlich in Christians starken Armen. Voller Leidenschaft presste er sie an sich, und bevor er sich herabneigte, um sie zu küssen, las sie unverhohlenes Verlangen in seinen Augen.
Nichts in ihrem Leben hatte sie auf diesen Augenblick vorbereitet. Hin und wieder war es einem hartnäckigen Verehrer in Taunton gelungen, einen keuschen Kuss auf ihre Wange zu hauchen. Doch das ließ sich nicht mit der Glut vergleichen, die jetzt auf sie einstürmte. Vom zielstrebigen Angriff auf ihre Sinne überwältigt, brachen ihre Verteidigungsbastionen schon nach wenigen Sekunden zusammen. An Widerstand war nicht zu denken, während er seine Finger in ihre kastanienroten Locken schlang und mit der anderen Hand ihre Brust streifte, bevor er ihr Kinn umfasste und seine Lippen über ihren Hals wandern ließ. „Ich liebe dich“, flüsterte er heiser und versuchte ungeduldig, die Verschnürung ihres Nachthemds zu lösen.
Bei diesem Geständnis hätte sie ihre letzten Hemmungen verlieren müssen. Stattdessen bewirkte es das Gegenteil. Eine Lüge – leere Worte, ausgesprochen von einem verzweifelten, zutiefst verletzten Mann, der Trost suchte … Wenn er wieder nüchtern war und klar denken konnte,
Weitere Kostenlose Bücher