Historical Lords & Ladies Band 40
Mr Metcalf eines Kommentars. Wenn Christian auch mehrere Jahre in Indien verbracht hatte – die Geschichten über seine Affären mit diversen verheirateten oder ledigen Damen waren bis in sein Heimatland gedrungen. Nicht, dass es Christian interessiert hätte, was der Klatsch über ihn verbreitete. Schon bei seiner Abreise aus England waren bösartige Gerüchte aufgekommen, die jeder Grundlage entbehrten. Aber der Anwalt hatte keine Sekunde lang geglaubt, Mrs Blackmores Tod wäre etwas anderes gewesen als ein tragischer Unfall.
„Wollen wir über Geschäftliches reden, Sir?“ Mr Metcalf reichte seinem wohlhabenden Klienten ein gefülltes Glas und setzte sich hinter den Schreibtisch. „Nachdem ich Ihre letzte Nachricht aus Indien erhalten hatte, schrieb ich Mr Drews Schwestern, informierte sie über seinen beklagenswerten Zustand und bereitete sie auf das Schlimmste vor. Und um den Wunsch zu erfüllen, den Sie in Ihrem letzten Brief geäußert hatten, fuhr ich nach Somerset und teilte den Damen persönlich mit, ihr Bruder habe das Zeitliche gesegnet. Einen Tag später besuchte ich sie noch einmal und erläuterte ihnen den Inhalt seines Testaments.“
„Und wie haben sie es aufgenommen?“
„Verständlicherweise waren sie enttäuscht, weil Mr Drew Sie zum einzigen Vormund ihrer Nichte bestimmt hat. Immerhin lebt das Kind – obwohl man Miss Sophie nicht mehr so nennen kann, da sie schon sechzehn ist – seit mehreren Jahren bei den Tanten in Taunton und liebt sie sehr, vor allem die jüngere der beiden, Miss Megan Drew.“ Als dieser Name erwähnt wurde, zuckte Christian zusammen, was dem Anwalt nicht entging. Dann leerte er sein Glas in einem Zug, ohne den edlen Tropfen richtig zu würdigen. „Sicher sind Ihnen die Damen bekannt“, fuhr Mr Metcalf fort, „ihr Haus liegt ganz in der Nähe von Moor House.“
„Ja, sie waren unsere nächsten Nachbarn.“ Ungeduldig stand Christian auf und trat ans Fenster. Inzwischen war es dunkel geworden, und Mr Metcalf sah das Spiegelbild der markanten Gesichtszüge in der Glasscheibe. „Ich kenne die Familie mein Leben lang.“
„Also müssten Sie wissen, was für eine tüchtige, vernünftige junge Frau Miss Drew ist.“
„Als ich sie zuletzt sah, war sie noch ein halbes Kind.“
Mr Metcalf fragte sich, ob Christians eindrucksvolle Stimme wirklich unsicher geklungen hatte. Oder besaß er eine zu lebhafte Fantasie? „Das ist sie jetzt nicht mehr.“
„Wohl kaum. Im März wird sie fünfundzwanzig. Wahrscheinlich wird sie bald heiraten und sich nicht mehr mit der Verantwortung für mein Mündel belasten wollen.“
„Miss Drew hat mir versichert, sie habe keine Heiratspläne und würde gern auch weiterhin für ihre Nichte sorgen. Selbst wenn das nicht zuträfe – ich halte die andere Tante, Mrs Pemberton, ebenfalls für eine gewissenhafte Betreuerin.“
„Das will ich Ihnen gern glauben. Aber Charles Drew hat seine Tochter mir anvertraut, und ich werde das Wort halten, das ich einem sterbenden Mann gab.“
Falls Christians Stimme vorhin tatsächlich gezittert hatte, so ließ sie jetzt keinen Zweifel an seiner Entschlossenheit aufkommen. Mr Metcalf wusste, dass er nur seinen Atem verschwenden würde, wenn er das Thema noch länger verfolgte. Doch Miss Drew, die seine Hochachtung verdiente, hatte ihn gebeten, mit seinem Klienten wenigstens zu vereinbaren, dass das Mädchen nicht sofort von Taunton wegmusste. „Nachdem Miss Sophie eben erst vom Tod ihres Vaters erfahren hat, Sir – wäre es nicht ratsam, wenn sie vorerst in der Obhut ihrer Tanten bliebe?“
„Ich bin nicht völlig gefühllos, Metcalf“, erwiderte Christian, setzte sich wieder und hielt dem prüfenden Blick des Anwalts stand. „Sicher wird es eine Weile dauern, bis mein Mündel über den schmerzlichen Verlust hinwegkommt, und ich möchte Sophie nicht von heute auf morgen dem Schoß der Familie entreißen. Außerdem muss ich einige Vorbereitungen treffen. Bis jetzt habe ich keine geeignete Anstandsdame gefunden. Deshalb soll das Mädchen noch eine Zeit lang bei den Tanten wohnen. Natürlich werde ich Sophie bald besuchen. Sie wird sich vermutlich nicht an mich erinnern.“
„Also wollen Sie in nächster Zukunft nicht nach Indien zurückkehren, Sir?“
„Ich habe keine festen Pläne. Über fünf Jahre lang war ich am anderen Ende der Welt, vielleicht zu lange. Als ich England verließ, war mein Bruder Giles noch ein Junge.“ Ein Lächeln milderte Christians harte Züge.
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