Historical Saison Band 17
Wolken kündigten einen verfrühten Herbststurm an. Aber Domino achtete nicht auf das Wetter und eilte die Treppe hinab. In der Halle traf sie Flora. Warnend legte sie einen Finger an die Lippen, dann huschte sie zur Tür hinaus.
Der Wind bauschte ihre Röcke. Den Kopf gesenkt, lief sie zum Pavilion. Der Wachtposten am Eingang erkannte sie von früheren Besuchen her. Obwohl verwundert, weil sie ohne Begleitung hierherkam, ließ er sie eintreten. Sie durchquerte den Garten und erreichte den Palast. Wo sie Joshua finden würde, wusste sie. Im Atelier. Wo sonst? An den Weg dorthin erinnerte sie sich.
Als sie an der offenen Tür stand, blickte er auf. Der Wind hatte ihre bleichen Wangen rosig gefärbt, zerzauste dunkle Locken umrahmten ein strahlendes Gesicht. So herzzerreißend schön sah sie aus. Er holte tief Atem und bezwang den Impuls, sie zu umarmen. Was sie hierher führte, wusste er nicht. Noch eine Verwirrung – an einem völlig verwirrenden Tag.
Die Begegnung mit Christabel nach so langer Zeit verblüffte ihn immer noch. Immerhin hatte sie den Salon genau im richtigen Moment betreten und ihn zur Vernunft gebracht. Denn er war nahe daran gewesen, Domino zu packen und zu schütteln und ihr gewaltsam klarzumachen, sie habe die falsche Entscheidung getroffen.
Christabels Ankunft hatte ihn zu einem kühlen, höflichen Abschied veranlasst. Das passende Ende einer unglückseligen Liebe.
Aber nun stand Domino auf der Schwelle seines Ateliers, mit leuchtenden Augen und einem wehmütigen Lächeln.
„Ich musste zu dir kommen“, sagte sie schlicht.
„Und?“ An einem fernen Horizont erschien ein schwacher Hoffnungsschimmer.
„Tut mir leid, ich habe mich geirrt.“
„Worin?“ Jetzt strahlte der Schimmer etwas heller.
„In allem. Ich war besessen von dem Fehler, den du damals gemacht hast. An dem war Christabel genauso schuld. Sie hat die bösen Erinnerungen vergessen. So wie Richard. Und du hast wohl nur mehr selten daran gedacht. Keine Ahnung, warum ich es so wichtig fand …“
„Vielleicht, weil ich nicht der Mann bin, den du dir vorgestellt hast“, entgegnete er vorsichtig.
„Ich war sehr dumm.“ Langsam ging sie zu ihm. „Und ich verstehe nicht, warum ich dich so falsch eingeschätzt habe. Ich hielt dich für einen unverbesserlichen Wüstling. Und dann verliebte ich mich in dich. Ich dachte, die Welt hätte dir Unrecht getan und dich grausam behandelt. In meinen Augen warst du der Beste aller Männer, und ich stellte dich auf ein Podest, das kein Sterblicher jemals erreichen könnte.“
„Und jetzt weißt du, dass ich nicht der Allerbeste bin?“ Müde strich er eine blonde Locke aus seiner Stirn, eine unsichere Geste, die Domino schmerzlich berührte.
„Ich weiß, dass du der Einzige bist, mit dem ich zusammen sein will.“ Beinahe brach ihre Stimme.
Da vergaß er seine Müdigkeit, breitete die Arme aus, und sie sank an seine Brust. „Ist das wahr?“, flüsterte er ihr ins Ohr.
„Niemals habe ich aufgehört, dich zu lieben, Joshua, und nur für eine Weile mein Vertrauen verloren.“
„Und jetzt?“
„Jetzt weiß ich, dass deine Vergangenheit endgültig vorbei ist und dass es falsch war, an dir zu zweifeln.“
„Heißt das – du willst mich heiraten?“
„Das wünsche ich mir von ganzem Herzen. Allerdings wage ich mir nicht vorzustellen, was Papa dazu sagen wird.“
„Nicht nur Papa.“ In Joshuas Augen erschien das vertraute Funkeln. „Wie wird Carmela die Neuigkeit aufnehmen?“
Domino rückte ein wenig von ihm ab. „Vielleicht sollten wir ihre Rückkehr nach Spanien abwarten, bevor wir unsere Verlobung bekannt geben.“
„Hilf ihr bei den Reisevorbereitungen, damit wir sie möglichst schnell loswerden.“
Leise lachte sie. Und er hatte gedacht, diesen melodischen Klang würde er nie mehr hören. Ganz fest presste er sie an sich, heiße Sehnsucht besiegte alle Vernunft, alle Vorsicht. Im Palast wimmelte es von neugierigen Beobachtern, und die Türen zum Garten standen weit offen. Doch das interessierte ihn nicht.
Einen Finger unter Dominos Kinn, hob er ihr Gesicht und las tiefe Liebe in ihren glänzenden dunklen Augen. Behutsam begann er, sie zu küssen. Dann immer leidenschaftlicher, bis sie blindlings durch das Atelier zu einem abgewetzten Sofa an der hinteren Wand stolperten.
Lachend musterten sie das Chaos, das sie angerichtet hatten – verstreute Leinwände, eine umgestürzte Staffelei, verschüttete Farbe aus umgekippten Töpfen.
„Da haben wir einiges
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