HISTORICAL WEIHNACHTEN Band 01
auch sie sich auf ihre eigene Art als eine glückliche, liebevolle Familie bezeichnen.
Joan konnte sich sogar vorstellen, dass er ein Einlenken versucht hatte, um Nicolettes Glück sicherzustellen.
Wie traurig das doch alles war.
„Und, Mutter?“, fragte Edmund.
Sie nahm auf einem Stuhl Platz, der näher am Kamin als am Bett stand, Anna stellte sich zu ihr und lehnte sich dagegen. „Was soll ich sagen?“
„Was immer du möchtest. Darum habe ich keine Erwartungen geäußert, als ich dich hinschickte.“
Mit einem Seufzer richtete sie den Blick in die Ferne. „Es ist eigenartig. Seit ich als Braut herkam, habe ich mir das Banner noch nie so lange und so genau angesehen.
Ich kann mich auch nicht daran erinnern, was ich damals dachte. Aber nun …“ Sie sah zu ihrem Sohn. „Zuerst war ich ungeduldig und hielt es für Zeitverschwendung.
Dann aber wurde es mir allmählich deutlich. Das Banner ist heute nur noch ein bedauernswertes Stück Stoff, aber darum geht es nicht. Es scheint an diesem riesigen, verzierten Halter fehl am Platz zu sein. Vielleicht müsste es ein kleinerer, eleganterer Halter sein …“
Wieder musterte sie die Miene ihres Sohnes und suchte nach einem Hinweis, ob sie das Richtige sagte oder nicht. Joan wusste, dass er absichtlich nicht antwortete. Aber welchem Zweck diente das alles? Auch wenn seine Mutter genauso reagierte wie sie selbst, was konnte er schon anderes machen, als dem Banner einen schöneren Halter zu geben und es vielleicht nicht ständig wegzuschließen?
„Was ist, Vater?“, fragte Anna mit einem Anflug von Panik in ihrer Stimme.
„Es ist alles in Ordnung“, beteuerte Edmund. „Es geschieht nichts Schlimmes. Wir denken nur über Dinge nach, die wir lange Zeit vernachlässigt hatten. Mutter, war da noch etwas?“
Lady Blanche war sichtlich aufgewühlt. „Es klingt vielleicht albern, Edmund, aber das Banner machte auf mich nicht den Eindruck, als sei es
glücklich.
Ich stellte mir tatsächlich vor, ob es Christus selbst gefallen würde, dass ein heiliges Relikt, das seine Geburtsstätte berührt hat, der Grund für eine so erbitterte Feindschaft ist.
Allerdings wäre das nicht das erste Mal der Fall“, fügte sie an. „Die Schlachten der Kreuzzüge selbst wurden an Christus’ heiligen Orten ausgetragen.“
„Das ist richtig, aber dies hier ist unser Relikt und damit unsere Verantwortung.“
„Du kannst es nicht aufgeben“, erklärte Lady Blanche.
„Vater!“, rief Anna aus, doch er hob seine Hand.
„Anna, das ist keine Sache, bei der du mitzureden hast. Ich muss darüber nachdenken.“
„Aber
Vater
!“
„Nein, Anna. Du musst jetzt mit Remi gehen. Ich werde später mehr Zeit mit euch verbringen, nachdem ich Lady Joan zu ihrer Familie zurückgebracht habe.“
Lady Blanche erhob sich und brachte die widerspenstigen Kinder zur Tür. Sie sah einmal kurz zu Joan, forderte sie aber nicht auf, ebenfalls zu gehen.
Dennoch stand Joan auf. „Ich werde Euch allein lassen, damit Ihr nachdenken könnt.
Ich weiß, Ihr könnt nichts unternehmen, deshalb bedauere ich, Euch diese zusätzliche Last aufgebürdet zu haben, Mylord. Aber ich fand, ich musste meine Ansicht ausdrücken.“
„Ich verstehe das“, sagte er und nickte, dann hielt er seine linke Hand hin, sie legte ihre hinein und ließ es zu, dass er sie auf den Handrücken küsste. „Joan of Hawes, ganz gleich, was heute und in Zukunft geschieht, Ihr sollt wissen, dass ich mich geehrt fühle, Euch begegnet zu sein. Lasst Euch von der Welt niemals den Mund verbieten.“
Einer plötzlichen Laune folgend beugte sie sich vor und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen. „Ich werde mich bemühen. Möge Gott dich führen und behüten, Edmund.“
Dann floh sie förmlich aus seinem Gemach.
Draußen stellte sie verwundert fest, dass der Burg nichts von der Unruhe anzumerken war, die sie selbst erlebte. Ihr kam lediglich zu Ohren, einige traditionelle Spiele unter freiem Himmel seien wegen des bevorstehenden Treffens mit den de Montelans auf dem Bethlehem-Feld abgesagt worden. Auf dem Burghof wurden die Pferde gestriegelt und herausgeputzt, um ein strahlendes Bild abzugeben. Etliche Männer trugen bereits ihre Rüstung, dazu Überwürfe in den Farben des Goldenen Löwen. Sie aßen und tranken und waren in bester Laune, nur der eine oder andere warf einmal einen mitfühlenden Blick in ihre Richtung.
Sie wussten, welches Schicksal ihr bevorstand.
Vermutlich war es so auch gewesen, wenn sich Ritter
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