HISTORICAL WEIHNACHTEN Band 01
auf dem Stallboden zeichnete.
„Da ich aber ein Ritter bin, dürfte es wohl meine Pflicht sein, hinzugehen – erst recht, wenn ein Priester ausdrücklich darum bittet.“
Egbert sah zu ihm hoch.
„Dann pass solange gut auf Cassius auf. Er hat an vielen Turnieren teilgenommen und mir mehr als einmal das Leben gerettet. Daher sollte er mit Ehrfurcht und Respekt behandelt werden.“
Mit einem fröhlichen Grinsen nickte Egbert.
„Es ist eisig kalt in der Kapelle?“
„Aye, ich war selbst dort.“
Rafe griff nach seinem Mantel und bemerkte dabei, wie viele Risse er bereits aufwies. Wenn er das nächste Mal ein paar Münzen gespart hatte, würde er sich einen neuen kaufen, das schwor er, während er mit resoluten Schritten den Stall verließ. Bedauerlicherweise würde er sich für den Augenblick mit diesem begnügen müssen.
Der heftige Wind erfasste den Mantel, sodass Rafe sich an dessen Überresten ebenso festklammern musste wie an dem, was von seiner Selbstachtung noch verblieben war.
Als er die Kapelle betrat, wusste er, der Junge hatte nicht übertrieben, was die dortige Temperatur anging. Das Innere war genauso karg eingerichtet wie Lady Katherines Saal, und es war hier so kalt, als würde er unter freiem Himmel mitten in einem Schneegestöber stehen. Davon zeugten auch die bläulich verfärbten Lippen, das Zähneklappern und die ungeduldigen Bewegungen der Dienerschaft. Selbst den Priester schien es zu frösteln.
Der einzige Mensch in diesem Gebäude, dem die eisigen Temperaturen nichts auszumachen schienen, war Katherine.
Auch wenn er wusste, dass es eine Schwäche war, konnte er nicht anders, als sich neben sie zu stellen. Schließlich machten die Diener ihm ja auch noch ungefragt den Weg zu ihr frei. Es war eine Torheit, weil er sich damit nur selbst quälen würde.
Katherine warf nicht einmal einen Blick in seine Richtung.
Vielleicht durfte er aber auch gar nichts anderes von ihr erwarten, wenn sie sich an einem heiligen Ort aufhielten.
Oder aber, überlegte er mit wachsender Bestürzung, sie war zur Besinnung gekommen und hatte erkannt, dass er ihrer Zuneigung oder ihres Verlangens gar nicht würdig war.
Während der Priester die Messe hielt, musste Rafe mit sich ringen, um eine unbeteiligte Miene zu wahren, die nichts erahnen ließ, obwohl er sich insgeheim davor fürchtete, anschließend mit ihr reden zu müssen oder – was noch schlimmer sein würde – weiterhin von ihr ignoriert zu werden.
Schließlich war die Messe beendet, und Katherine drehte sich zu Rafe um. Ihr Gesichtsausdruck verriet keine Gefühlsregung, als sie sagte: „Bei diesem Wetter müsst Ihr noch eine Nacht bleiben, Sir Rafe.“
Bei diesem Wetter. Nicht etwa, weil da irgendwelche Gefühle zwischen ihnen ins Spiel gekommen waren. Nicht einmal, weil es Heiligabend war. „Ich danke Euch nochmals für Eure Gastfreundschaft, Mylady. Cassius und ich sind Euch zu großem Dank verpflichtet.“
Als die Bediensteten sich längst sputeten, die Kapelle zu verlassen, kam der Priester zu Katherine, die sich zu ihm umdrehte. „Pater Coll, dies ist Sir Rafe Bracton.“
Pater Coll lächelte ihn freundlich an. „Es ist mir eine Freude, Euch kennenzulernen, Sir. Seid Ihr zufällig mit den Bractons aus Upper Uxton bekannt?“
„Mein Onkel lebte in Upper Uxton“, erwiderte Rafe ein wenig überrascht.
Noch überraschter war er, als der Priester daraufhin noch breiter lächelte. „Ein äußerst freundlicher und großzügiger Wohltäter für die Armen.“
„Oh ja, das war er“, pflichtete Rafe ihm bei.
In Wahrheit wusste er so gut wie nichts über diesen Onkel – bis auf den Namen und den Ort, in dem er lebte. Jedoch schien es, als habe dieser Verwandte ein gewisses Ansehen genossen, und da Rafe momentan verzweifelt war und nach jedem Strohhalm griff, um sein angeschlagenes Selbstwertgefühl aufzuwerten, war er sogar bereit, den unbekannten, verstorbenen Angehörigen zu diesem Zweck zu benutzen.
„Pater, Sir Rafe, sollen wir uns jetzt in den Saal begeben, um etwas zu essen?“
„Da ich seit der Morgendämmerung unterwegs bin, möchte ich gern Eure Gastfreundschaft in Anspruch nehmen“, gab Pater Coll vergnügt zurück. „Und wenn ich ganz ehrlich sein soll, möchte ich zu gern wissen, ob Pater Bartholomew übertrieben hat, als er die Leistungen Eurer Köchin pries.“
Katherine reagierte mit einem flüchtigen Lächeln, während sie sich abwandte, um zur Tür vorzugehen. „Ihr müsst mir gleich verraten, ob er
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