HISTORICAL WEIHNACHTEN Band 01
einer von denen, die dumm genug waren, um einen Angriff auf die berühmte Feste zu wagen. Pilger und alle anderen mit einem Funken Verstand würden ebenfalls längst irgendwo Zuflucht gesucht haben.
Vielleicht ein Bote vom Hof, überlegte er. Aber derartige Nachrichten waren nur selten von erfreulicher Natur, sodass er mit großem Unbehagen sein Gemach verließ. Er kannte seine Pflichten, also würde er jeden Reisenden willkommen heißen, der diesem Wetter trotzte, um jenen Unterschlupf zu erreichen, der Campions Zuhause war. Über die gewundene Treppe erreichte er den großen Saal, wo er einem Diener zu verstehen gab, er solle weitere Fackeln anzünden, und veranlasste, dass für die unbekannten Gäste Essen und Unterkunft bereitgestellt wurden.
Der Verwalter, der seine Nachricht einem wartenden Ritter überbracht hatte, kehrte zu ihm zurück. „Mylord Reynold ist auf dem Weg zum Tor, um die Gruppe zu begrüßen“, erklärte er.
Campion wusste, sein Sohn würde dafür sorgen, dass die Fremden in den Saal gelangten, ganz gleich, wie schlecht das Wetter auch sein mochte. Obwohl – oder vielleicht gerade weil – sein Bein ihm Schmerzen bereitete, war Reynold willensstärker als jeder andere.
„Soll ich den heißen gewürzten Wein bringen lassen?“, fragte der Verwalter.
Campion nickte und unterdrückte seine Verärgerung darüber, dass er eine solche Selbstverständlichkeit erst noch veranlassen musste.
Als Dunstans Ehefrau noch in der Burg wohnte, hatte sie die Funktion der Burgherrin übernommen und sich so gut um alles gekümmert, was die Speisen und den Haushalt insgesamt anging, dass Campion diese weibliche Note zutiefst vermisste.
Er vermisste diese Note sogar in mehr als einer Hinsicht, wurde ihm wieder einmal bewusst, und dachte dabei an die bevorstehenden Feiertage. Jemand musste den Saal mit Stechpalmen, Efeu und Lorbeer schmücken, und obwohl es in der Burg sauberer zuging als vor Marions Zeit, konnte Campion doch sehen, dass die Wände dringend geschrubbt werden mussten.
Nach dem Dreikönigstag würde er die Dienerschaft anweisen, genau das zu tun.
Unterdessen jedoch brannte das Weihnachtsscheit im Saal, der geräumig und gut eingerichtet war. Seine Gäste würden in dieser Nacht froh sein, überhaupt irgendwo untergekommen zu sein.
Von draußen hörte er Pferde, während im Saal erwartungsvolle Stimmen lauter wurden. Eine von ihnen gehörte Wilda, einer seiner Dienerinnen, die beunruhigt zur Tür schaute. Die zutiefst abergläubische Frau maß jeder Einzelheit eine wichtige Bedeutung zu, was Campion lächeln ließ. So hielt sie an dem alten Glauben fest, dass die erste Person, die am Neujahrstag nach Mitternacht die Türschwelle überschritt, ein Vorbote für das vor einem liegende Jahr war. Und sie glaubte, dass ein Besucher an Heiligabend einen Hinweis darstellte, wie glücklich die Feiertage verlaufen würden.
Die Ankunft eines dunkelhaarigen Mannes wurde als gutes Zeichen angesehen, und da Campions sieben Söhne allesamt dunkelhaarig waren, sorgte allein die Ankunft seiner Angehörigen in den vergangenen Jahren regelmäßig für gute Omen. Natürlich glaubte er selbst nicht an solchen Unsinn, doch in seinem Haushalt ging es friedlicher zu, wenn die Abergläubischen besänftigt waren.
Daher rechnete er jeden Moment mit Reynold, dem die Erwartungen der Dienerschaft bestens bekannt waren, doch als dann die Tür aufging, war es nicht sein Sohn, der über die Schwelle trat. Es waren gleich mehrere, von der Kälte geplagte Personen, die hereingeplatzt kamen, allen voran eine zierliche Gestalt in einem weiten Cape, das nach hinten rutschte und so wallende Röcke zum Vorschein brachte. Es war kein Mann, sondern eine Frau, wie Campion erkannte, während seinen Dienern vor Schreck die Luft wegblieb. Sie alle standen da und sahen die Gruppe ungläubig an, als die Frau die Kapuze nach hinten schob und den Blick auf einen schwarzen Lockenkopf freigab. Die wallende volle Mähne fiel bis weit über ihren grünen Wollmantel.
„Hm! Na ja, wenigstens hat sie dunkles Haar“, murmelte Wilda.
Campion musste zunächst sein Erstaunen überwinden, bevor er einen Schritt nach vorn machte. Auch wenn er nichts darauf gab, die Stimmung der Festtage auf der Grundlage der Haarfarbe eines Gastes vorherzusagen, war er doch überrascht, dass eine Frau bei so schlechtem Wetter und zudem an Heiligabend noch unterwegs war.
„Vater, darf ich dir Lady Warwick vorstellen, die eine Zuflucht vor dem Sturm sucht“,
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