HISTORICAL WEIHNACHTEN Band 02
Bild einer zufriedenen Familie. Was er befürchtet hatte, war eingetreten.
Ein kalter Windstoß fegte durch den Raum, dann knallte die Tür hinter ihm zu.
Olivia stand auf. Die Angst in ihrem Gesicht machte ihn noch wütender. „Es tut mir leid“, murmelte sie.
Es waren noch zwei andere Personen da, zwei Frauen, die sich nun erhoben. Die eine, ein mageres Mädchen, hatte zusammengerollt neben der Wiege gelegen und fragte jetzt mit verschlafener Stimme: „Was ist denn?“
Weder er noch Olivia hatten ein Wort oder einen Blick für sie übrig. In angespannter Haltung sahen sie sich unverwandt an, fochten einen stummen Kampf aus, bis der Mann hinter ihr aufstand und sagte: „Mylord, willkommen in unserer Hütte.“
Will konnte nicht klar denken. Was meinte der Mann mit unserer Hütte? Eine andere Frau, ein wenig älter als er selbst, stahl sich an den Mann heran und griff nach seinem Arm. Als wollte er sie beschützen, schob der Mann sie hinter sich.
„Kann ich irgendetwas für Euch tun, Mylord.“
Will starrte sie schweigend an, dann wandte er sich wieder an Olivia.
Immer noch stand sie reglos da und bewegte sich auch nicht, als er drei Schritte auf sie zu machte und dicht vor ihr stehen blieb. So dicht, dass sie sich fast berührten. Sie bog den Kopf zurück, damit sie ihm in die Augen sehen konnte. Sie duckte sich nicht. Ihm zuckte es in der Hand. Er wollte sie gerne berühren, doch er tat es nicht.
Dann sah er auf das Kind hinunter. Seine Stimme klang ihm selbst fremd in den Ohren, als er jetzt fragte: „Ist das dein Kind, Olivia?
Da trat das magere Mädchen zu ihm, dessen Haare vom Schlaf zerzaust waren. Sie reckte die knochigen Schultern, und fast klapperten ihr die Zähne vor Angst, als sie sagte: „Nein, Mylord. Es ist mein Kind.“
Diese Leute waren Dummköpfe, wenn sie glaubten, ihn an der Nase herumführen zu können. Will brauchte nur den ängstlichen Blick zu sehen, den der Mann und die Frau zu seiner Linken austauschten, um zu wissen, dass es eine glatte Lüge war.
Doch das Mädchen machte seine Sache nicht schlecht. „Ich … ich bin fortgelaufen, weil … ich … ich … sein Vater war … nun, schlecht. Lady Olivia half mir. Sie versteckt mich.“
Ungerührt betrachtete Will das hübsche, spitze Gesicht des Mädchens. „Ach ja?“
„Gean“, sagte Olivia warnend.
Will sah Olivia an, die hilflos seinen Blick erwiderte. „Wie heldenhaft. Du hast Heim und Herd aufgegeben, um eine Magd und ihr Kind zu beschützen, was? Überaus großherzig.“ Er hielt inne und lächelte. Es war ein kaltes Lächeln. „Und äußerst unglaubwürdig.“
Olivia schloss die Augen und schüttelte den Kopf. „Lasst Euren Zorn nicht an Gean aus. Sie versucht nur, mich zu schützen.“
„Ein Zug, den Ihr nicht ausstehen könnt, ich weiß.“
„Ihr versteht nicht.“
„Dann habt Ihr jetzt Gelegenheit, es richtigzustellen.“
„Ich weiß, dass Ihr mir nicht glauben werdet, wenn ich Euch sage, dass ich mich entschlossen hatte, Euch alles zu erzählen. Aber ich weiß jetzt auch, dass ich dumm war. Morgen wäre ich zu Euch gekommen.“
„Euer Herz hat sich auf wundersame Weise geändert, wie? Ich erfahre es wahrhaftig … rechtzeitig.“
„Ich bin hierhergegangen, weil Ihr gesagt habt, ich solle mein Herz erforschen. Und um das zu tun, musste ich bei Stephen sein.“
Was sie sagte, verblüffte ihn. Er fuhr zusammen und sah zu dem Mann hinüber. „Stephen?“, fragte er.
„Nein, Mylord. Ich bin John, einer Eurer Schmiede. Erinnert Ihr Euch nicht? Und das ist meine Frau Martha.“
Für einen Moment schloss Will die Augen. Er fühlte keinerlei Verlegenheit. Nur Erleichterung. Er hatte dem Mann noch nicht einmal ins Gesicht gesehen, so elend hatte er sich gefühlt bei dem Gedanken, dass ein Mann der Grund war, warum Olivia nicht zu ihm kommen wollte.
Aber immer noch hatte er keine Antworten erhalten.
„Das Baby“, erklärte Olivia. „Sein Name ist Stephen.“
„Er ist Euer Sohn?“
Sie schluckte schwer, und Will wappnete sich. „Das Kind ist nicht mein Sohn, aber er … gehört … mir. Er ist mein Neffe, der Sohn meiner Schwester.“
Der Druck auf seiner Brust ließ zwar ein wenig nach, aber er war ganz und gar nicht beschwichtigt. „Dann erzählt mir, Lady Olivia, wieso Ihr ihn hier in dieser Hütte versteckt haltet.“ Sein Zorn schürte die Gefühle, die in ihm gärten, und seine Stimme wurde laut. „Wieso habt Ihr Euch geweigert, mir zu erzählen, dass er Euer Mündel ist? Wieso
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