Hitzeflimmern
besser?“ fragte sie als spreche sie von der Morgenpost.
„Ich bin mir nicht sicher“, sagte Karl. „Man sagt es, aber ich fühle mich nicht danach.“
Ihre sachliche Anteilnahme hatte etwas unerwartet Tröstliches.
„Die Ärzte sagen, Sie brauchen noch ein paar Wochen“, bemerkte sie.
Karl starrte sie entgeistert an. „Das ist der Mühe nicht wert, vorher gehe ich vor Langeweile ein.“
Es war einer der seltenen Momente, in denen Anna lächelte. „Ich werde Ihnen etwas zum Arbeiten bringen, Herr Graf“, versicherte sie ihn.
„Vielen Dank“, sagte Karl und Anna verabschiedete sich.
In der Stille des Alleinseins fragte sich Karl, wo eigentlich Christelle sei. Fühlte sie sich nicht gehalten, nach ihm zu sehen, wenn er offensichtlich nur mit Glück auf dem Weg zur Besserung war? Er erkundigte sich bei den Krankenschwestern, ob eine Frau Graf nach ihm gefragt hätte und anscheinend habe eine Dame angerufen. Es machte Karl etwas ärgerlich, dass er Christelle derart vermisste. Doch er sagte sich, er vermisste überhaupt irgendwelche Menschen. Es hatte nicht zwingend seine Exfrau zu sein.
Fayna . Fayna war bei ihm gewesen. Oder hatte er das nur geträumt?
Er glaubte, ihre Stimme gehört zu haben, als er noch kaum wieder bei Bewusstsein war.
Ihr Bild vermischte sich mit einem anderen. Da war ein anderes Mädchen. Sie schien ebenso jung. Diese besonderen breiten Wangenknochen. Ein Mädchen, das gerne lachte und mutwillig nach ihrem Willen handelte.
Louise, dachte Karl. Wie selbstverständlich, klar doch, Louise.
Wer aber war das? Er kannte keine Louise. Wie war er zu diesem seltsamen Traum gekommen?
Er träumte gewöhnlich wenig und erinnerte sich nur schlecht an wirre Zusammenhänge.
Doch diese Erinnerung, sie war fast wie eine Vision gewesen. Es war wie ein Film. Ein Blick in ein ganzes Leben. Eine ganze Welt, die er auf einen Schlag vor sich gesehen hatte. Wie seltsam, er hatte sich als ein junges Mädchen gefühlt.
Dumpf erinnerte sich Karl an Gedanken und Eindrücke, wie er sie nie in seinem Leben gekannt hatte. Er pflegte nicht so zu denken. Er belastete sich nicht mit derartigen moralischen Überlegungen. Er hielt sich nicht damit auf, für irgendwelche Kriegshelden zu schwärmen.
Das nun schon grad gar nicht.
Ein Kriegsheld?
Karl sah die Uniform vor sich. Rot mit goldenen Tressen. Ein kräftiger junger Kerl. Ein junger Mann, den Karl noch nie in seinem Leben gesehen hatte.
Wie um Himmels Willen kam er nur dazu? Er musste schweres Fieber gehabt haben.
Karl runzelte die Stirn. Er war so müde. Nur das konnte erklären, dass ihm derart wirres Zeug im Kopf herumschwirrte.
Während er einschlief sah er ständig einen altmodischen Kachelofen vor sich, auf dessen weissen Plättchen in lindem Grün ländliche Szenen gemalt waren.
Karl wurde aus dem Krankenhaus entlassen und eine Kur stand ihm bevor. Er war herzlich wenig davon angetan, doch als seine Mutter besorgt anrief und vorschlug, er solle sich doch bei ihnen erholen, entschied er, es gelte rasch zu handeln. Es fehlte noch, dass er sich seiner besorgten Mutter anvertraute! Kurzerhand wies er Anna an, ihn in einem gemütlichen Kurhotel einige Kilometer ausserhalb der Stadt unterbringen zu lassen. Die Reise war anstrengend, denn noch immer schmerzte sein Brustkorb bei jeder Bewegung und hämmernd pulsierte es bei der leisesten Erschütterung in seinem Kopf. Doch Anna buchte ohne weiteres einen Krankenwagen und Karl wurde in ein hübsches Haus im Grünen gebracht.
Wie ihn der behandelnde Arzt informierte, war Karl durch herabstürzende Gerüstteile nicht nur an Brustkorb und Lunge verletzt worden, sondern war zudem mit heftig blutenden Kopfverletzungen eingeliefert worden. Auf den Verdacht einer Hirnblutung hin hatte man ihn in ein künstliches Koma versetzt und ihn so gewissermassen ungestört verarztet. Als sich herausstellte, dass Karls Gehirn in Ordnung war und er nur äussere Verletzungen hatte, nicht einmal eine Schädelfraktur, hatte man ihn vom künstlichen Schlaf befreit. Die verschiedenen Schnittwunden und Quetschungen, die er erlitten hatte, heilten gut, doch die gebrochenen Rippen brauchten ihre Zeit ebenso wie die perforierte Lunge, die hatte operierte werden müssen.
Nun teilte Karl den idyllischen Ort mit einer Sammlung alter Leute, die ihre eigenen Gesichter gleich einer Ahnengalerie spazieren führten und zudem nur Russisch oder Ukrainisch sprachen. Das belastete ihn zunächst wenig, denn er hütete ohnehin weiter
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