Hitzeflimmern
schattigen Wald.
Dort wollte er hin. In den Schatten.
„Karl?“
Es war wieder diese Stimme. Es war Louises Stimme. Die Stimme der lieben Louise, seiner besten Freundin, bereits aus Kindertagen. Die mutwillig tat, was immer ihr beliebte. Die lieber frei war als alles andere.
„Louise?“ murmelte er beschwerlich.
„Was sagst du? Karl, hörst du mich?“
Er wollte die Worte formen, um sie zu bitten, endlich mehr zu sprechen.
„Karl, ich bin es, Fayna. Hörst du mich?“
Gewiss hörte er sie. Fayna.
Sie blickte zur Krankenschwester und dem Arzt. „Ich weiss nicht, ob er mich erkennt“, sagte sie.
„Es ist ein gutes Zeichen, dass Herr Graf irgendwie reagiert. Wäre es Ihnen möglich, wieder zu kommen?“ erwiderte der Arzt.
Fayna seufzte. „Ich sehe, was ich tun kann.“
Als er erwachte, war es fast dunkel. Ein blasses Nachtlicht brannte über dem Bett und tauchte das Krankenzimmer in trostlose Halbddämmerung. Kein Fenster war zu sehen, doch er vermutete es sei Nacht. Er versuchte den Kopf zu drehen, doch er sah nur eine Reihe blinkender Maschinen und erkannte wieder dieses unausweichliche Piepsen, das ihn während all der langen Zeit im Dunkeln gestört hatte.
Karl stöhnte, doch da ergriff ihn der Schmerz und schien das bisschen Leben, das noch ihn ihm war, herauszupressen. Er atmete flach und bewegte sich nicht.
Wo war er? Und wie kam er an diesen trostlosen Ort?
Einen Augenblick war er sich nicht einmal mehr sicher, dass er Karl Graf hiess. Doch dann fiel ihm wieder ein, dass das der Fall war. Das war doch immerhin ein Anfang.
Wo mochte er nur sein, sinnierte er.
Da kehrte der Schlaf zurück.
„Herr Graf?“, fragte eine Stimme.
Karl schlug die Augen auf und blickte in das schweissglänzende breite Gesicht einer Frau, die ihm seltsam vertraut vorkam. Sie trug die langweilig weisse Kleidung von Spitalpflegern.
„Wo bin ich?“ fragte er, doch seine trockene Kehle liess kaum ein Wort zu.
„Sie sind im städtischen Krankenhaus, Herr Graf. Sie sind in der Lagerhalle verunfallt und wurden hierher gebracht. Das ist nun schon fast eine Woche her. Erinnern Sie sich?“ fragte die Schwester milde.
Das Lagerhaus. Ein widerwärtiges Bild stieg vor ihm auf, wie Yuri von einem metallverstärkten Balken niedergeschlagen wurde. Der seltsam verdrehte Leib bedrückte Karl.
„Durst“, sagte er.
Da reichte ihm die Frau einen Strohhalm und er trank langsam einen Schluck. Berstende Schmerzen rissen an ihm, als seine Brust sich hob und er stöhnte schwer.
„Bewegen Sie sich möglichst wenig“, sagte sie. „Sie haben zwar grosses Glück gehabt, dennoch brauchen Sie Zeit, sich zu erholen. Fünf Rippen haben Sie gebrochen und einen Lungenriss mussten wir operieren. Doch das ist alles heilbar. Danken Sie Gott, dass ihre Wirbelsäule unversehrt ist und Sie neben ein paar Schrammen und nur eine schwere Gehirnerschütterung hatten. Wenn die Stangen anders herabgestürzt wären, wer weiss, wer weiss…“
Karl sah sie mit leerem Blick an, während er die Bedeutung ihrer Rede zu erfassen suchte.
„Danken Sie Gott dafür“, bekräftige die Schwester da.
„Ich werde es ihm sagen, sollte ich ihm begegnen“, sagte Karl.
Seine Rekonvaleszenz zog sich hin und Karl musste gestehen, er hatte sich noch nie im Leben derart gelangweilt. Er kannte keine langen Krankheitsphasen und eine Blinddarmoperation war das Gravierendste gewesen, auf das er zurückblickte. Wenn er Spitäler betrat, so um andere zu besuchen und er hielt sich nicht gerne dort auf, denn die Orte stanken und waren hässlich.
Nun aber war er selbst hier gebunden und er fand, er litte wie ein Hund. Jeder Atemzug tat ihm weh, als schere sich seine verletzte Lunge keinen Deut um die vielen Schmerzmittel, die man ihm verabreichte. Man hatte ihn aus der piepsenden Intensivstation in ein eigenes Pflegezimmer verlegt und nun verfügte er wieder über den Luxus, in der Nacht im Dunkeln zu schlafen.
Doch die Langeweile war unerträglich und die Blumen auf dem Tisch hatten auch schon bessere Tage gekannt. Wie er selbst, dachte er gelinde mitfühlend, als er das trockene Gestrüpp ansah.
Abwechslung brachten die paar Besuche, die er erhielt. Doch die kleinen Visiten unterbrachen nur kurz die sterile Eintönigkeit.
Anna kam zu ihm und brachte frische Blumen. Mit dem ihr eigenen Kopfschütteln warf sie die verblühten Sträusschen in den Abfall und stellte ein neues Gesteck auf. Dann blieb sie an seinem Bett stehen.
„Geht es Ihnen
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