Hochsommermord: Kriminalroman (German Edition)
Sie mal rein.«
Der Riese griff nach der Kaffeetasse, die Franziska ihm gerade reichen wollte, und bedankte sich für ihre Aufmerksamkeit. Die Sekretärin lächelte ihm zu, während er seinem neuen Chef in dessen Büro folgte.
»Ich mache dir nachher einen frischen«, rief sie ihm nach.
»So sieht also ein ehemaliger SEK ler aus. Hab Sie mir anders vorgestellt.«
Kepplinger verkniff sich eine Bemerkung. Brandstätter nestelte am Knoten seiner hellgrauen Krawatte mit Schmetterlingmotiven, die Kepplingers Meinung nach überhaupt nicht zu dem hellrosafarbenen Hemd passten, das sein Gegenüber trug.
»Na ja, ich dachte immer, die sind alle so eins neunzig große Kleiderschränke. Sie wissen, was ich meine?«
»Das denken die meisten«, erwiderte Kepplinger. »Aber das liegt wahrscheinlich an den vielen überspitzten Darstellungen in den Medien.«
Brandstätter setzte sich irritiert auf seinen Bürostuhl und blätterte in Kepplingers Personalakte.
»Warum sind Sie denn da weg? Den Unterlagen nach waren Sie ja einer der Besten im Kommando!«
»Ich war sechs Jahre dort und wollte etwas anderes machen.«
»Richtig, Kepplinger, richtig. Immer nach vorne schauen, sag ich immer.« Er klappte die Akte zu und deutete mit einer lässigen Handbewegung auf einen Stuhl. Moritz setzte sich.
»Und?«, erkundigte sich der groß gewachsene Chef. »Alles beim Rechten, da unten an der Fachhochschule?«
Bevor er antworten konnte, sprudelten die Erinnerungen des Vorgesetzten aus ihm heraus.
»Gab’s früher alles nicht. Studium und so weiter. Ein besserer Zwölf-Wochen-Lehrgang war das damals. Neunundsiebzig, mein Gott, ist das lange her. In den alten Klosterbaracken von Mariatann haben wir gehaust. Nicht weit von Villingen. Mann, das waren Zeiten. Da musstest du im Winter selber Feuer machen. Morgens waren die Fenster innen gefroren. Aber die Zeit will ich nicht missen. Sind alle was geworden von damals, auch ohne Diplom und den ganzen Firlefanz. Der Polizeiberuf ist ein Erfahrungsberuf, sag ich immer.«
Kepplinger wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. Er versuchte nur die Enttäuschung darüber zu verbergen, erneut an einen Vorgesetzten geraten zu sein, der sich in den ersten fünf Minuten des Kennenlernens als selbstherrlich entpuppte.
Der Inspektionsleiter starrte nachdenklich an die gegenüberliegende Wand, bis er sich mit einem Mal wieder an den Anlass des Gesprächs zu erinnern schien.
»Also, Kepplinger, passen Sie mal auf. Nicht, dass Sie das in den falschen Hals bekommen mit dem Studium. Ist ’ne gute Sache. Hab in den letzten Jahren lauter feine Leute von da unten bekommen. Und da sind Sie hoffentlich keine Ausnahme.«
»Sonst wäre ich wohl nicht hier?«
Sein neuer Chef musterte ihn kritisch.
»Richtig, Kepplinger, richtig. Jetzt gucken Sie mal, wie das hier so läuft, und machen sich mit den Leuten und der Stadt vertraut. Fälle gibt’s genug, das kann ich Ihnen versprechen. Da wird’s einem nicht langweilig. Wir sind sowieso viel zu wenige. Alle paar Jahre nehmen sie mir eine Stelle weg. Bei größeren Sachen muss ich jedes Mal Klinken putzen gehen, um eine halbwegs vernünftige Sonderkommission zusammenzubekommen. Und jetzt noch der ganze Mist mit der Polizeireform. Weiß gar nicht, wie das dann noch funktionieren soll.«
Für einen Moment verebbte der Redefluss. Kepplinger blickte demonstrativ auf die Uhr, aber Brandstätter hatte schon wieder in seinen Monolog zurückgefunden.
»Dass Sie jetzt da sind, ist nur möglich, weil die von der Inspektion drei eine Stelle abgeben mussten. Die haben eh nicht so viel Geschäft wie wir.« Er lachte abfällig. Kepplinger sollte offenbar den Eindruck gewinnen, dass die Kollegen, die im Bereich der Wirtschaftskriminalität tätig waren, ausschließlich Faulenzer waren. Mittlerweile hatte er genug von dem Geschwafel und überlegte, wie er das Gespräch diplomatisch zu einem Ende bringen könnte.
Die Seitentür öffnete sich, und die Sekretärin übergab dem Inspektionsleiter eine Faxnachricht. »Entschuldigung, ist wichtig.«
Brandstätter überflog die Nachricht stirnrunzelnd.
Franziska blieb in der Tür stehen und wartete auf seine Reaktion.
»Wo sind denn die ganzen Leute?«, erkundigte sich der nachdenklich gewordene Vorgesetzte.
»Herder und zwei Leute von der Spurensicherung sind bei dem Autohaus in Uhingen wegen dem Brand. Schubart und Falcone sind in der Justizvollzugsanstalt Stammheim wegen der Mordsache Friedberger. Da gab es wohl einen
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