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Hochsommermord: Kriminalroman (German Edition)

Hochsommermord: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Hochsommermord: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Frech
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zweiunddreißig erreicht. In stetigem Bergab führte die Wettkampfstrecke nun durch einige einsame Dörfer, in denen nur vereinzelt Menschen zu sehen waren. Seine Beine fühlten sich immer noch locker an.
    Fünfmal hatte er in den vergangenen Wochen Trainingsläufe über dreißig Kilometer absolviert. Meistens hatte er sich am frühen Sonntagmorgen aufgerafft und war drei Stunden am Stück gelaufen. Immer wieder hatte er dabei auch das Trinken und die Nahrungsaufnahme während der Belastung geübt. Von diesen Erfahrungen profitierte er jetzt. Die Gewissheit, dass er den Wettkampf beenden würde, wuchs mit jedem Kilometer. Außerdem lag er noch immer gut in der Zeit. Zwar hatten die vielen Hügel seinen Kilometerschnitt verschlechtert, trotzdem blieb ihm für die letzten zehn Kilometer noch über eine Stunde.
    In einer der namenlosen Ortschaften parkte am Straßenrand der gleiche Wagen, den auch Gerd Jessen gefahren hatte. Kepplinger dachte an den Vater der kleinen Manuela, der lange Zeit im Krankenhaus verbringen musste, um sich von den Folgen der Misshandlungen zu erholen. Einige Narben würde er sein Leben lang mit sich herumtragen. Auch bei ihm würde nichts mehr so sein wie zuvor. Der Verlust der Tochter warf ihn auf eine andere Weise aus der Bahn als seine Exfrau.
    Alle Beteiligten, ging es ihm durch den Kopf, haben mehr oder weniger Schaden genommen. Letzten Endes auch er selbst. Der Polizeiberuf war nach wie vor sein Traumjob. Seit jener Juliwoche hatte er ein Dutzend Fälle bearbeitet und die Täter teilweise rasch überführt. Ende September gab es erneut einen Mordfall in Göppingen, bei dem er zum Ermittlungsführer benannt worden war. Eine Handvoll Obdachloser war während eines Zechgelages in Streit geraten und hatte einen der Saufkumpane im Affekt erschlagen. Der Tathergang war rasch geklärt und die Täter am darauffolgenden Tag festgenommen. Andere Straftaten stapelten sich ungeklärt auf seinem Schreibtisch, und die Ermittlungen dauerten an. Dennoch beschäftigte ihn kein Fall so sehr wie den der kleinen Manuela, den er an seinem ersten Arbeitstag als Kommissar, sozusagen jungfräulich, in die Hände bekommen hatte. Eine Bewährungsprobe im doppelten Sinn. Er hatte sich gegenüber den neuen Kollegen und auch gegenüber sich selbst beweisen müssen.
    Fälle wie diesen wollte er nicht viele in seinem Leben bearbeiten. Er wusste, wie viel er aushalten konnte und wie nahe und wie oft er sich solchen Abgründen nähern durfte, an die ihn sein Beruf zwangsläufig immer wieder führen würde. Die Gespräche mit der Psychologin nach dem Inferno hatten ihm bewusst gemacht, dass er auch an seine eigenen Grenzen denken musste. Das alles lag jetzt über fünf Jahre zurück. Trotzdem war es so gegenwärtig wie die Erinnerungen an die Hubschrauber, die in seiner Kindheit über den Garten geflogen waren. Doch seit er mit Lea darüber gesprochen hatte, war es auch anders. Er fürchtete sich nicht mehr vor einem Déjà-vu. Die vergangenen Erlebnisse wirkten nun, als ob sich ein unsichtbarer Schutzmantel darum gelegt hätte.
    In der Ferne erahnte er nun die Umrisse des antiken, panathenäischen Stadions, das Ziel seines Rennens. Mittlerweile brannten die Oberschenkel, und manchmal hatte er das Gefühl, in der nächsten Sekunde einen Krampf zu bekommen. Aber das ersehnte Ende rückte immer näher. Schon konnte er die hufeisenförmige Zuschauertribüne aus weißem Marmor erkennen, die im Sonnenlicht leuchteten. Stilgerecht und rechtzeitig vor den Olympischen Spielen 2004 war das jahrhundertealte Stadion liebevoll restauriert worden. Dort würden Alexandros und seine Familie auf ihn warten.
    Jetzt sah er bereits die schwarze Aschenbahn, die er von zahlreichen Bildern aus dem Internet kannte. Noch ein paar letzte Kurven in einem kleinen Pinienwald vor dem Stadion und dann noch einige Meter vorbei an den Zuschauern über den heiligen Boden, auf dem vor über hundert Jahren die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit begonnen hatten. Wie von selbst rannten seine Beine die letzten zweihundert Meter bis zum Ziel. Zweiundvierzig Kilometer lagen hinter ihm, als er den ersten Schritt auf den dunklen Tartan setzte. Zwar waren die Tribünen an diesem Sonntagmorgen mit weitaus weniger als fünfzigtausend Zuschauern besetzt, für die das Stadion ausgelegt war, dennoch wurden die Läufer von tosendem Applaus empfangen. Für einen Moment glaubte er, die Silhouette von Lea am anderen Ende des Stadions auszumachen. Ihre langen dunklen

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