Hochzeit auf Raten
genau neunzehn Tagen. Oder du bist am zwanzigsten Tag Witwe.«
Sie sah mich lange an, sagte aber kein Wort mehr.
Die Ereignisse spitzten sich sehr schnell weiter zu.
Da meine Zimmerfrau für eine Woche zu Verwandten aufs Land gefahren war, hielt sich Isabell den größten Teil ihrer Freizeit bei mir auf. Manchmal brachte ich sie noch spätnachts nach Hause, manchmal blieb sie bis zum Morgen.
Eines Abends, wir lagen schon im Bett, schrillte die Wohnungsklingel. Ich spürte, wie Isabell an meiner Seite zu Eis erstarrte.
»Diese verdammten Nachbarn«, sagte ich, gleichzeitig im stillen das Gelübde ablegend, einen solchen Nachbarn in Gold aufwiegen zu wollen.
Rrrr —
Wir vermieden es, einander anzusehen.
Rrrr —
Wenn es tatsächlich die Frau Oberst —. Ich unterdrückte den Gedanken in der abergläubischen Hoffnung, damit auch das Schicksal beeinflussen zu können. Zu allem Überfluß hing auch noch Isabells Mantel im Korridor. Und in der Küche stand das schmutzige Geschirr.
Rrrr —
»Ich habe dir gesagt, daß du mich heimgehen lassen sollst«, zischte sie an meinem Ohr. »Ich könnte dich ermorden.«
»Nur keine Bange, das haben wir bei Gott nicht nötig«, schlotterte ich.
Das Klingeln riß jetzt überhaupt nicht mehr ab.
Ein Hoffnungsstrahl durchzuckte mich. Wenn es die Frau
Oberst wäre, würde sie auf sperren. Würde! Würde! Ja, wenn ich nicht den Schlüssel hätte steckenlassen.
Mit einem Satz war ich aus dem Bett, ich verschloß mich nicht mehr der schaurigen Wahrheit: die Frau Oberst war vorzeitig zurückgekehrt.
Es muß die Frau Oberst sein! Es soll die Frau Oberst sein! Ich jagte die Gedanken wie Maschinengewehrsalven durch mein Gehirn, wiederum in der abergläubischen Hoffnung, durch diese Provokation aus der Frau Oberst doch noch den Hausmeister machen zu können.
Es war die Frau Oberst.
Sie stand zornsprühend zwischen ihren Koffern und einem jungen Mädchen in der Tür.
»Unerhört! Eher ist das ganze Haus wach, bevor Sie die Güte haben, mir zu öffnen«, sagte sie schneidend.
Ich stürzte mich wortlos auf die Koffer.
»Lassen Sie das! Wir tragen unser Gepäck selbst. Komm, Frieda!«
Gehorsam wich ich zurück.
Und dann fiel der zweite Schicksalsschlag.
»Was ist das?« fragte sie und deutete auf Isabells Mantel, der in leuchtendem Blau an der Kleiderablage hing.
»Ein Ma — Mantel, Frau Oberst«, stotterte ich, »ein bl — blauer Mantel.«
»Ein Damenmantel«, rief sie.
»Ein Da — Damenmantel«, echote ich. »Sie — Sie müssen nämlich wissen — Wissen Sie, Frau Oberst — ja, das ist nämlich so —«
Sie kannte keine Gnade.
»Ich — ich habe nämlich Besuch.«
»So!«
»Ja, seltenen Besuch. Überaus seltenen Besuch. Und erfreulichen Besuch. Sie wissen gar nicht, Frau Oberst, wie ich mich freue.«
»Frieda«, sagte die Frau Oberst eisig, »öffne die Tür zur Küche! Der Parfümgeruch ist unerträglich.«
»Meine Tante«, sagte ich, »meine Tante väterlicherseits ist gekommen. Sie erinnern sich gewiß, liebe Frau Oberst, die Tante väterlicherseits, ich habe Ihnen davon erzählt —«
»Erzählt? Kein Wort!«
»Vielleicht ist es Ihnen entfallen —“
»Lügen Sie nur weiter!«
»Wie bitte?«
»Sie sollen weiterlügen«, sagte sie grimmig.
»Frau Oberst«, sagte ich und warf mich in die Brust, »ich muß schon bitten. Als Neffe habe ich die Pflicht —«
Das Wort erstarb mir auf den Lippen. Frieda, der Satansbraten, hatte in der Küche Licht gemacht, so daß sich der Frau Oberst ein einzigartiges Stilleben bot.
»Ich habe mir erlaubt, meiner Tante —«
»Ihrer Tante?«
»Jawohl, meiner Tante«, sagte ich fest, »ein bescheidenes Abendbrot zurechtzumachen. Wenn Sie das ungehörig finden sollten, bitte ich um Entschuldigung.«
Mit einemmal war die Frau Oberst wie ausgewechselt.
»Ich glaube, es liegt an mir, Sie um Entschuldigung zu bitten«, sagte sie honigsüß. »Ich war wohl ein wenig schroff. Aber die lange Reise hat mich nervös gemacht.«
Ich verlor vor Verblüffung meine Pantoffeln.
»Sie — Sie machen mir keine Vorwürfe?«
»Ganz im Gegenteil«, erklärte sie mit dem Charme eines Kanonenrohrs. »Ich bitte Sie sogar, mich Ihrer Tante vorzustellen, damit ich sie willkommen heißen kann.«
»Vorstellen?« Ich trat instinktiv vor meine Zimmertür.
»Meine Nichte und ich werden uns eine Ehre daraus machen.«
»Meine Tante wird sich glücklich schätzen, Ihre Bekanntschaft zu machen. Wenn ich mir erlauben darf, Sie morgen
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