Hochzeit des Lichts (German Edition)
mich, bis ich, Stein unter Steinen, einsam wie eine Säule oder ein Ölbaum unter dem Sommerhimmel stand.
Dies gewaltsame Wind- und Sonnenbad erschöpft meine gesamte Lebenskraft, die kaum noch in mir die matten Flügel regt, kaum sich zur Klage aufrafft, kaum sich zur Wehr setzt. Schließlich bin ich, in alle Winde verstreut, alles vergessend, sogar mich selbst, nur noch dieser wehende Wind und im Wind diese Säule und dieser Bogen, dieses glühende Pflaster und dieses bleiche Gebirge rings um die verlassene Stadt. Nie habe ich in einem solchen Maße beides zugleich, meine eigne Auflösung und mein Vorhandensein in der Welt, empfunden.
Ja, ich bin vorhanden; und jäh wird es mir klar, dass ich an eine Grenze rühre wie ein für immer eingekerkerter Mensch, für den alles vorhanden ist; aber auch wie ein Mensch, der weiß, dass »morgen« wie »gestern« sein wird und ein Tag wie der andere. Denn wenn ein Mensch seines Vorhandenseins innewird, erwartet er nichts mehr. Es sind die banalsten Landschaften, die einen Seelenzustand widerspiegeln. Ich aber suchte in diesem Lande überall nach etwas, das nicht mir gehörte, sondern von ihm ausging: eine gewisse Freundschaft mit dem Tode, in der wir uns verstanden. Zwischen den Säulen, die jetzt schräge Schatten werfen, zergingen meine Ängste wie verwundete Vögel in der hellen Trockenheit der Luft. Alle Angst kommt aus lebendigen Herzen; aber jedes Herz wird Ruhe finden: Das weiß ich, und sonst nichts. Je mehr der Tag zur Neige ging, je stiller und fahler die Welt wurde unter dem Aschenregen der einfallenden Dunkelheit, desto selbstverlorener und wehrloser fühlte ich mich gegen jenes langsame, innere Aufbegehren, das »Nein« sagte.
Wenige Menschen begreifen, dass es ein Verweigern gibt, das nichts mit Verzichten zu tun hat. Was bedeuten hier solche Worte wie Zukunft, Beruf und Fortkommen oder der Fortschritt des Herzens? Wenn ich eigensinnig nichts von »später« hören will, so vor allem, weil ich ohnehin nicht auf meinen gegenwärtigen Reichtum verzichten will. Ich mag als junger Mensch nicht glauben, dass der Tod der Beginn eines neuen Lebens ist. Für mich ist er eine zugeschlagene Tür. Ich sage nicht: Er ist eine Schwelle, die es zu überschreiten gilt – er ist ein furchtbares und schmutziges Abenteuer! Alles, was man mir einreden will, möchte dem Menschen die Last seines Lebens abnehmen. Aber ich sehe die großen Vögel mit ihren schweren Schwingen über Djemila kreisen und verlange nach einer gewissen Lebenslast und bekomme sie. Ganz aufgehen in diesem Wunsch: zu dulden – und alles Übrige zählt schon nicht mehr. Ich bin zu jung, als dass ich vom Tode reden könnte. Müsste ich’s dennoch – hier würde ich das rechte Wort finden, das zwischen Schrecken und Schweigen das klare Wissen um einen Tod ohne Hoffnung bekennt.
Man lebt mit ein paar vertrauten Ideen – zwei oder drei. Je nach der Umgebung, in der man aufgewachsen, und je nach den Menschen, denen man begegnet ist, poliert man sie und gibt ihnen ein neues Gesicht. Um eine eigne Idee zu haben, über die man reden kann, dazu braucht’s wenigstens zehn Jahre. Das entmutigt begreiflicherweise ein wenig. Derweilen aber wird dem Menschen das schöne Antlitz der Welt vertrauter. Bisher sah er ihr grad ins Gesicht. Nun muss er einen Schritt zur Seite tun und ihr Profil betrachten. Ein junger Mensch aber sieht der Welt ins Gesicht. Er hat noch nicht die Zeit gehabt, sich den Gedanken des Todes oder des Nichts zurechtzuschleifen, obschon seine Schrecken ihn quälen. Grade dies aber ist Jugend: diese bittere Zwiesprache mit dem Tode, diese körperliche Angst des Tieres, das die Sonne liebt. Im Gegensatz zu allem, was man sagt, macht Jugend sich in diesen Dingen nichts vor. Sie hat dazu weder Zeit noch Neigung. Und sonderbar: Vor dieser zerklüfteten Landschaft, vor der düsteren Feierlichkeit dieses versteinerten Schreis, der Djemila heißt, vor dieser toten Hoffnung und diesen erstorbenen Farben begriff ich, dass ein Mensch, der wert ist, so genannt zu werden, am Ende seines Lebens diese Zwiesprache erneuert, die paar, ihm seit Langem geläufigen Ideen verleugnet und jene Unschuld und Wahrhaftigkeit wiederfindet, die in dem Blick des frei seinem Schicksal gegenübertretenden antiken Menschen leuchten. Er gewinnt seine Jugend zurück, aber nur indem er dem Tode die Hand reicht. Wie verächtlich hingegen alle Krankheit! Krankheit ist ein Heilmittel gegen den Tod, auf den sie uns vorbereitet. Das
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