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Hochzeit des Lichts (German Edition)

Hochzeit des Lichts (German Edition)

Titel: Hochzeit des Lichts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Camus
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Launen und, wenn man mir ein offenbar sinnloses Wort gestattet, seine eigne Seele hat. [1]
    Die Entwicklung des Leibes wie die des Geistes hat ihre Geschichte, ihre Fortschritte, ihre Rückfälle und ihre Mängel. Betrachten wir zum Beispiel die Farbe. Wer im Sommer regelmäßig im Hafen badet, kann beobachten, wie die weiße Haut eines jeden Leibes zunächst goldbraun und dann bronzebraun wird, bis sie zuletzt eine gewisse Tabakfarbe annimmt, womit der Körper an der Grenze seiner Anpassungsfähigkeit angelangt ist. Über dem Hafen erhebt sich das weiße Würfelgewirr der Kasbah. Befindet man sich mit dem Wasserspiegel auf gleicher Ebene, so bilden die braunen Leiber gegen den grellweißen Hintergrund der Araberstadt einen kupferfarbenen Fries. Je heißer es nun im August wird, desto mehr blendet das Weiß der Häuser und desto dunkler wird das Braun der Leiber. Der ganze Vormittag ist hingegangen mit Tauchen, Spritzen, Lachen und langen Paddelschlägen um die rot-schwarzen Frachtdampfer herum: die»Norweger«, die nach allen möglichen Holzsorten duften, die »Deutschen«, die einen Ölgeruch verbreiten; und die »Coaster«, die nach Wein und alten Fässern riechen. Um die Zeit, da der Himmel von Hitze überströmt, bringt das orangefarbene Kanu unsere braunen Leiber in fliegender Fahrt zurück. Der rhythmische Doppelschlag des Paddels setzt plötzlich aus; und wir gleiten in langem Bogen in das glatte Wasser des Hafens: eine brüderliche Bronzeschar junger Götter.
    Aber schon hält die sommerliche Stadt an ihrem anderen Ende andere Freuden für uns bereit: Ich meine den Genuss ihrer schläfrigen Stille. Diese Stille ist ganz verschieden, je nachdem sie ein Kind des Schattens oder der Sonne ist. Es gibt die Mittagsstille auf dem Gouvernementsplatz, wo im Schatten der ihn einfassenden Bäume Araber geeiste Zitronenlimonade mit Orangenblüten verkaufen, das Glas zu fünf Sous. Ihr Ruf, »frisch! frisch!«, hallt über den leeren Platz. Dann ist es wieder still, die Sonne glüht; und ich höre, wie sich im Kruge des Verkäufers das Eis mit leisem Klickern umdreht.
    Es gibt auch die Stille der Mittagsruhe. In den Straßen des Marineviertels kann man sie geradezu hören, wenn man vor den schmutzigen Friseurläden auf das melodische Summen der Fliegen hinter den Vorhängen aus Schilfrohr achtet. In den maurischen Cafés der Kasbah wiederum herrscht das Schweigen der Leiber, die wie gebannt dasitzen und nicht imstande sind, sich zu erheben, das Glas Tee vor sich zu verlassen, den eingeschlafenen Pulsschlag des Blutes wiederzufinden und mit ihm das Gefühl für Zeit.
    Und dann gibt es die große Stille der Sommerabende. Welche geheimnisvollen Zeichen und Rufe mögen in dieser kurzen Zeitspanne wach werden, da der Tag in die Nacht hinübergleitet, dass sich Algier um diese Stunde so tief meinem Gedächtnis hat eingraben können? Wenn ich eine Zeit lang diesem Land fernbleibe, erscheinen mir seine Abende wie lauter Versprechungen eines ungreifbaren Glücks. Dann kehrt mein Herz zurück zu den Öl- und Mastixbäumen längs der Wege, die über die stadtbeherrschenden Höhen laufen. Ich sehe den grünen Horizont und die über ihm aufsteigenden Schwärme von schwarzen Vögeln. An dem plötzlich sonnenlosen Himmel breitet sich ein ganzes Volk kleiner roter Wolken aus und löst sich langsam auf. Fast gleich darauf erscheint, nachdem er sich tastend in der Dunkelheit des Himmels geformt und gefestigt hat, der erste Stern. Und dann, mit einem Schlage, ist es Nacht. Was wirkt den Zauber dieser flüchtigen algerischen Abende, dass sie allein so viele Dinge in mir wachrufen? Jene milde Süßigkeit, die sie auf meinen Lippen zurücklassen, ist schon verschwunden in der Nacht, noch ehe ich sie habe auskosten können. Und vielleicht liegt darin das Geheimnis ihrer Fortdauer. Die Zärtlichkeit dieses Landes ist scheu und überwältigend zugleich. Kaum aber fühlt das Herz ihre Gegenwart, so ist es ihr auch schon verfallen.
    Das Dancing am Padovani-Strand ist alle Tage offen. In diesem rechteckigen riesigen Lokal, das in seiner ganzen Länge aufs Meer geht, tanzt die Jugend des ärmlichen Stadtviertels bis zum Abend. Dort habe ich häufig einen einzigartigen Augenblick abgewartet. Tagsüber ist der Saal durch schräge Bretter gegen Wind und Sonne geschützt. Ist die Sonne verschwunden, so nimmt man sie weg. Dann füllt sich der Saal mit einem seltsam grünen Licht, wie das Innere einer Riesenmuschel, deren Schalen Himmel und Meer heißen.

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