Hochzeit des Lichts (German Edition)
die von goldenem Blütenstaub erfüllte Luft. Meer, Land, Stille und die Gerüche dieser Erde – ich trank ihren Duft und ihren Atem und biss in die goldene Frucht der Welt und fühlte erschauernd ihren starken süßen Saft mir über die Lippen laufen. Nein, ich zählte nicht, noch die Welt; nur die schweigsame Eintracht unserer Liebe galt, und ich war nicht so eitel, diese Liebe für mich allein zu beanspruchen, sondern war mir mit Stolz bewusst, sie mit einer ganzen Rasse zu teilen, deren Größe in ihrer schlichten Einfalt wurzelt und die an den Ufern des Meeres das strahlende Lachen des Himmels aufrecht mit brüderlich-dankbarem Lächeln erwidert.
Der Wind in Djemila
Es gibt Orte, wo der Geist stirbt um einer Wahrheit willen, die ihn verneint. Als ich nach Djemila kam, wehte es, und die Sonne schien; aber das ist eine andere Geschichte. Jetzt will ich nur sagen, dass eine drückende Stille über allem lag – reglos wie das Gleichgewicht einer Waage. Einige Vogelschreie, der gedämpfte Ton der dreigelochten Flöte, das Getrippel von Ziegen – all diese Geräusche brachten mir die Stille und Trostlosigkeit des Ortes erst zu Bewusstsein. Hin und wieder flog flügelklatschend und schreiend ein Vogel aus den Trümmern. Jeder Weg, jeder Pfad zwischen den Häuserresten, die großen gepflasterten Straßen zwischen den leuchtenden Säulen, das riesige, auf einer Anhöhe zwischen Triumphbogen und Tempel gelegene Forum – alle enden in jenen Schluchten, die von allen Seiten Djemila umgeben, das wie ein ausgebreitetes Kartenspiel unter dem endlosen Himmel liegt. Und dort ist man nun, einsam und umringt von Stille und Steinen; und der Tag geht hin, und die Berge wachsen und werden violett. Aber der Wind bläst über die Hochebene von Djemila. Mitten in diesem großartigen Durcheinander von Sonne und Wind und lichtgrellen Ruinen nimmt die schweigende Verlassenheit der toten Stadt den Menschen mehr und mehr in sich hinein und verschlingt ihn.
Man braucht viel Zeit, um nach Djemila zu gelangen. Es ist keine Stadt, wo man haltmacht, um später weiterzufahren. Djemila führt nirgendwo hin und erschließt keinerlei Landschaft. Es ist ein Ort, den man wieder verlässt. Die tote Stadt liegt am Ende einer langen, vielfach gewundenen Straße, die immer wieder ihr Erscheinen verheißt und deshalb so ermüdend lang wirkt. Endlich, tief eingelassen zwischen hohen Bergen auf dem blassen Hochplateau, taucht das gelbliche Skelett eines Knochenwaldes auf: Djemila, Gleichnis und sichtbare Lehre, dass überall nur Geduld und Liebe uns bis ans klopfende Herz der Welt gelangen lassen. Dort, zwischen ein paar Bäumen, liegt die gestorbene Stadt und verteidigt sich mit all ihren Bergen und all ihren Trümmern gegen billige Bewunderung, malerisches Missverstehen und törichte Träume.
Den ganzen Tag waren wir in diesem dorrenden Glanz umhergeirrt. Langsam schien der Wind, den man am frühen Nachmittag kaum fühlte, mit jeder Stunde zu wachsen und das ganze Land zu füllen. Er kam von weit her aus einer Lücke zwischen den östlichen Bergen, eilte vom Horizont herbei und warf sich in jähen Sprüngen zwischen die sonnenglühenden Trümmer. Unermüdlich blies und jagte er durch die Ruinen, drehte sich in einer Kies- und Staubwolke im Kreise, hagelte auf die durcheinandergeworfenen Steinquadern nieder, schlang sich brünstig um jede Säule und stürmte mit gellem Geheul über das Forum, das wehrlos unterm Himmel lag. Ich flatterte wie ein Segel im Wind. Mein Magen zog sich zusammen; meine Augen brannten, meine Lippen sprangen auf, und meine Haut trocknete aus, bis ich sie kaum noch als meine empfand. Durch sie hatte ich sonst die Schrift der Welt, die Zeichen ihrer Huld oder ihres Zornes, entziffert, wenn ihr sommerlicher Atem sie erwärmte oder der Reif seine Frostkrallen in sie schlug. Jetzt aber, stundenlang vom Wind gepeitscht und geschüttelt, betäubt und ermattet, ging mir das Gefühl für die Oberfläche, die meinen Leib zusammenhielt, verloren. Der Wind hatte mich geschliffen wie Flut und Ebbe den Kiesel und hatte mich bis zur nackten Seele verbraucht. Ich war nur noch ein Teil von jener Kraft, die mit mir tat, was sie wollte, und mich immer entschiedener in Besitz nahm, bis ich ihr schließlich ganz gehörte, sodass mein Blut im gleichen Rhythmus pulste und dröhnte wie das mächtige allgegenwärtige Herz der Natur. Der Wind verwandelte mich in ein Zubehör meiner kahlen und verdorrten Umgebung; seine flüchtige Umarmung versteinte
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