Hochzeit mit Hindernissen
Gedanken an die sündhaft teure Kette um ihren Hals.
Doch je mehr sie sich dem Ritz näherten, desto größer wurde ihre Beklommenheit. Was Lorenzo nicht entgangen war. “Du brauchst keine Angst zu haben”, sagte er einfühlsam, als sie aus dem Taxi gestiegen waren. “Mein Bruder ist kein Unmensch. Außerdem bin ich ja bei dir.”
Obwohl sie sich bei Lorenzo unterhakte, ging Heather mit eher gemischten Gefühlen ins Restaurant. Kaum hatten sie es betreten, erhob sich ein Mann von seinem Platz und winkte ihnen freudestrahlend zu. Zu ihrer großen Verwunderung gelang es ihr trotz der maßlosen Entrüstung, die sie empfand, das Lächeln zu erwidern.
“Guten Abend, Signorina Miller”, begrüßte Renato Martelli sie und verbeugte sich höflich. “Es ist mir eine große Ehre, dass Sie meiner Einladung gefolgt sind.”
“Ich konnte ja nicht wissen, mit wem ich das Vergnügen habe”, erwiderte Heather schroff. “Schließlich haben Sie sich bei unserer ersten Begegnung nicht vorgestellt.”
“Soll das heißen, dass ihr euch schon kennt?”, fragte Lorenzo verständnislos.
Dankenswerterweise übernahm es Renato, ihm von dem Vorfall am Nachmittag zu berichten. “Ich habe deine Freundin heute Nachmittag im
Gossways
aufgesucht”, erklärte er seinem Bruder. “Allerdings ohne mich zu erkennen zu geben”, setzte er hinzu und küsste Heather die Hand. “Was Sie mir hoffentlich verzeihen.”
“Das muss ich mir noch gut überlegen”, sagte sie unversöhnlich. Trotzdem zögerte sie nicht eine Sekunde, als Renato ihr einen Platz anbot.
“Wollt ihr mir nicht endlich erklären, was sich zugetragen hat?” Lorenzo war deutlich anzusehen, wie sehr ihn der unerwartete Auftakt des Abends verwirrte.
“Dein Bruder hat sich mir gegenüber als Kunde ausgegeben”, erklärte Heather ihm. “Im Lauf der Unterhaltung hat er mir die eine oder andere Frage gestellt. Nicht alle waren beruflicher Natur.”
“Und warum?”
Das konnte nur Renato beantworten. “Ich wollte mir einen ersten Eindruck von der Frau verschaffen, die dich dazu bringt, deine Pflichten zu vernachlässigen.”
“Ist Ihnen das gelungen?” Heather konnte der Versuchung nicht widerstehen, diese Frage zu stellen.
“Allerdings.”
Lorenzo schien mit der Antwort sehr zufrieden, denn seine Miene hellte sich auf, und er lehnte sich entspannt in seinem Stuhl zurück.
Heather kam nicht umhin, die beiden Brüder heimlich zu beobachten, während sie die Speisekarte studierten. Wie unterschiedlich sie doch waren!
Trotz seiner Größe wirkte Lorenzo mitunter wie ein Junge. Wahrscheinlich, weil seine Gesichtszüge noch nicht sonderlich ausgeprägt waren. Einzig die feine Narbe an der Schläfe verriet, dass er nicht so unerfahren war, wie seine blauen Augen und das lockige braune Haar vermuten ließen. Dafür konnte sein Lächeln Eis zum Schmelzen bringen, und wenn er lachte, war es geradezu ansteckend.
Renato war in allem das genaue Gegenteil. Wenn Lorenzo in mancherlei Hinsicht unreif wirkte, so war es bei ihm kaum vorstellbar, dass er je eine Kindheit gehabt hatte. Er war ungeheuer kräftig gebaut, ohne auch nur ansatzweise zur Rundlichkeit zu neigen. Vielmehr strahlte er ein Übermaß an Kraft und Entschlossenheit aus, und obwohl sein Anzug maßgeschneidert war, fühlte er sich darin sichtlich unwohl.
Die Wirkung seines Gesichtes war nicht weniger beeindruckend – und nicht weniger zwiespältig. Es vermittelte Strenge und Verwegenheit gleichzeitig. Je länger Heather ihn betrachtete, desto mehr empfand sie die Faszination, die von diesem Mann ausging, dessen dunkle Augen wie tiefe Seen waren, die ein Geheimnis bargen.
Wenn sich eine Frau zwischen diesen beiden Männern entscheiden musste, dann würde die Wahl eindeutig zugunsten des Älteren ausfallen.
Renato riss sie aus ihren Gedanken. “Ausgerechnet Lorenzo!”, sagte er laut und schüttelte ungläubig den Kopf. “Mit allem hätte ich gerechnet, aber nicht damit, dass er jemals ernsthaft in Erwägung ziehen könnte zu heiraten.”
“Bitte, Renato.” Lorenzo war das Verhalten seines großen Bruders sichtlich unangenehm. Oder war es doch die Tatsache, dass Heather etwas erfuhr, was ihm bislang nicht über die Lippen gekommen war?
Dafür sprach jedenfalls, dass er sich augenblicklich zu ihr hinüberbeugte. “Er will dich nur provozieren”, sagte er verlegen.
“Da sagst du mir leider nichts Neues”, erwiderte Heather und ignorierte Renatos ironisches Lächeln. “Sie sind also nach England
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