Höchstgebot
gehen, antwortete dieser.
»Um die Zeit bin ich schon wieder seit zweieinhalb Stunden auf«, lautete Hinrichs Antwort.
Normalerweise beschränkte sich Hinrichs beim Ein- und Auschecken auf einen knappen Gruß. Aber diesmal blieb er stehen und machte Anstalten, ein Gespräch mit dem Wachmann zu beginnen.
Hinrichs erzählte ihm, er sei ein Morgenmensch und habe dadurch in den frühen Stunden Zeit für sein Hobby.
»Was machen Sie denn?«, erkundigte sich Raik höflich.
Hinrichs antwortete, er male, was ein Missverständnis verursachte, bis ihm Hinrichs erklärte, dass er sich künstlerisch betätige.
Um 21.50 Uhr begann Raik mit seiner dritten Runde. Auf dem Parkplatz stand jetzt nur noch ein Auto, der schwarze Audi A8 von Ingrid Roeder. Und sein Fahrrad natürlich. Kurz nach 22 Uhr saß er wieder vor den Monitoren am Empfang. Solange Ingrid Roeder noch im Hause war, schaltete er lieber nicht auf einen Fernsehsender um, vom Anzünden eines Joints ganz zu schweigen.
Um 22.25 Uhr verließ auch Ingrid Roeder das Gebäude durch den Haupteingang. Sie wünschte Raik eine angenehme Nacht und ging hinaus zum Parkplatz hinter dem Haus. Raik folgte ihr mit der Außenkamera, bis sie in ihren Wagen stieg und wegfuhr.
Sofort schloss er die gläsernen Eingangstüren ab, drehte die Rückenlehne seines Bürostuhls so weit nach hinten wie möglich und schaltete einen der Fernseher auf MTV. Er wartete eine weitere Minute, öffnete per Knopfdruck den Schlagbaum und sah den Audi Ingrid Roeders nach links in die Weststraße abbiegen. Ins Digilogbuch trug er ein: 22.39 Uhr, Gebäude frei von Besuchern und Personal.
Er holte die drei Joints aus der Innentasche seiner Uniformjacke und ordnete sie fein säuberlich in einer Reihe auf dem Tisch vor sich an. Dass er noch die Nachtschlösser des Auslieferungstors absperren musste, hatte er bereits vergessen.
Nach seinem ersten Joint bekam er Appetit auf etwas Herzhaftes und zugleich Süßes. Er beschloss, sich eine Pizza Tropical und eine Fanta zu gönnen, und rief beim Italiener um die Ecke an.
Obwohl der Pizzabote nur einen halben Kilometer zurücklegen musste, erschien er erst eine halbe Stunde nach der Bestellung. Raik eilte zu den Eingangstüren, um die Lieferung in Empfang zu nehmen. Eigentlich hätte er bereits mit seiner vierten Runde beginnen müssen, aber die musste eben verschoben werden, wenn sein Essen nicht kalt werden sollte.
Der Pizzabote sagte später aus, er habe Raik auf den Brandgeruch aufmerksam gemacht. Der Joint hatte Raik träge gemacht und er wollte so schnell wie möglich zurück in seinen bequemen Stuhl. Er witzelte, der Kurier habe wohl den Geruch des Holzofens in der Pizzeria noch in der Nase, bezahlte und vertilgte die Pizza.
Danach setzte er die Mütze ab und schlummerte ein.
Ein Heulen riss Raik aus dem Schlaf. Ein paar Sekunden lang saß er orientierungslos da, bis er realisierte, dass das markerschütternde Jaulen von den Rauchmeldern stammte. Er griff zum Telefon und wählte die 112.
Während er der Feuer wehr die Adresse durchgab, schaute er auf die Monitore. Im ersten Stock gaben alle Kameras ein schwarzes Bild wieder, obwohl die grün leuchtenden LEDAnzeigen verrieten, dass sie durchaus noch funktionierten. Er zoomte vor und zurück, doch der Bildschirm blieb schwarz. Rauch, das musste Rauch sein! Er schaltete um auf das Erdgeschoss. Die Innenkameras dort übermittelten keine Bilder und alle LEDs standen auf Rot. Die hatten also den Geist aufgegeben … Er betätigte die Taste für die Außenkamera auf dem Parkplatz. Wenigstens die zeigte noch ein normales Bild. Mit einer Hand richtete er das Objektiv auf die Rückseite des Gebäudes und sah ein Kaleidoskop von feurigen Zungen und Rauchwolken auf dem Bildschirm. Fasziniert beobachtete er, wie über die ganze Breite der Fassade hinweg Flammen aus dem Gebäude schlugen.
Das war Alarmstufe Rot, ein Horrorfilm, dessen Story sich rasend schnell entwickelte. Und er, Raik Fost, spielte die Hauptrolle, nein, er war im Grunde der einzige Akteur …
Erst die drängenden Fragen der Frau am anderen Ende der Leitung rissen ihn aus seinen Gedanken: »Herr Fost! Hallo! Hallo! Sind Sie noch da?«
»Raik Fost am Apparat«, antwortete er mechanisch.
»Herr Fost, befinden sich außer Ihnen noch andere Personen im Gebäude?«
»Das Gebäude ist leer«, sagte er. »Nur ich …« Er begann zu zittern.
»Wie groß ist der Brand?«, fragte die Telefonistin.
Raik wischte sich über die Stirn und blickte auf den
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