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Höhepunkte

Höhepunkte

Titel: Höhepunkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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gewissenhaft die Gebärde geübt, meine leere Hand gegen den offenen Mund zu klappen und eine (vorgetäuschte) Pille zu schlucken. Wie ich erwartet hatte, stürzte sie sich auf das Fläschchen mit seinen rundlichen, farbenprächtigen Kapseln voller Dornröschenschlaf.
    »Blau!« rief sie aus. »Violettblau. Woraus sind sie?«
    »Aus Sommerhimmel«, sagte ich, »und aus Pflaumen und Feigen und dem Traubenblut der Kaiser.«
    »Nein, im Ernst... bitte.«
    »Bloß Purpillchen. Vitamin Ix. Machen einen stark wie Ochs oder Axt. Möchtest du eine?«
    Lolita streckte die Hand aus und nickte eifrig.
    Ich hatte gehofft, daß das Mittel schnell wirken würde. Es wirkte blitzartig. Sie hatte einen langen, langen Tag hinter sich, war am Morgen mit Barbara rudern gegangen, deren Schwester die Wassersportgruppe leitete, wie das anbetungswürdige, griffbereite Nymphchen mir jetzt zwischen unterdrückten, den Gaumen aufbuckelnden, immer lauteren Gähnanfällen erzählte - oh, wie schnell der Zaubertrank wirkte! -, und war auch noch sonst aktiv gewesen. Das Kino, das ihr vage im Sinn gelegen hatte, war natürlich vergessen, als wir wassertretend den Speisesaal verließen. Im Fahrstuhl neben mir stehend, lehnte sie sich matt lächelnd an mich - soll ich dir nicht doch erzählen? - und senkte die dunklen Augenlider. »Müde, hm?« sagte Onkel Tom, der den stillen franko-irischen Herrn und seine Tochter zusammen mit zwei verwelkten Rosenexpertinnen nach oben fuhr. Alle sahen sie wohlgefällig mein zartes, sonnengebräuntes, taumelndes, betäubtes Rosenliebchen an. Fast mußte ich sie in unser Zimmer tragen. Dort setzte sie sich auf den Bettrand, schwankte ein wenig, sprach in langgezogenen, gurrenden Taubentönen. »Wenn ich dir’s erzähle... wenn ich dir’s erzähle... versprichst du mir« (schläfrig, so schläfrig - Köpfchen pendelt, Äuglein fallen zu), »versprichst du mir, daß du dich nicht beschwerst?«
    »Später, Lo. Leg dich jetzt hin. Ich lasse dich hier, und du legst dich hin. Ich gebe dir zehn Minuten.«
    »Ach, ich hab ekelhafte Sachen gemacht«, fuhr sie fort, warf ihr Haar zurück, zog mit langsamen Fingern eine Samtschleife auf. »Ich will’s dir erzählen...«
    »Morgen, Lo. Leg dich hin, leg dich hin... um Himmels willen, leg dich jetzt hin.«
    Ich steckte den Schlüssel in die Tasche und ging hinunter.

    Meine Damen Geschworene! Haben Sie Geduld mit mir! Gestatten Sie mir, ein winziges bißchen Ihrer kostbaren Zeit zu stehlen! Dies also war er, le grand moment. Als ich meine Lolita verließ, saß sie immer noch auf dem Rand des abgründigen Bettes, hob benommen den Fuß, zerrte an den Schnürsenkeln und ließ dabei die Innenseite ihres Schenkels bis zum Dreieck des Höschens sehen - was Beinezeigen angeht, war sie immer merkwürdig unachtsam oder schamlos oder beides gewesen. Dies war das geheime Bild von ihr, das ich eingeschlossen hatte - nicht ohne mich zu vergewissern, daß die Tür keinen Innenriegel hatte. Der Schlüssel mit seinem Anhängsel aus geschnitztem Holz war fortan das gewichtige Sesam-öffne-dich zu einer wonnevollen, unerhörten Zukunft. Er war mein, Teil meiner heißen, behaarten Faust. In ein paar Minuten - sagen wir zwanzig, sagen wir eine halbe Stunde - »sicher ist sicher«, wie mein Onkel Gustave zu sagen pflegte - würde er mich in »342« einlassen, wo ich mein Nymphchen, meine Schöne in bräutlicher Pracht, gefangen in ihrem gläsernen Schlaf vorfände. Geschworene! Wäre meiner Glückseligkeit Sprache gegeben gewesen, so hätte sie das gutbürgerliche Hotel mit einem ohrenbetäubenden Gebrüll erfüllt. Und heute bedauere ich nur, daß ich Schlüssel »342« nicht schweigend am Büro hinterlegt und die Stadt, das Land, den Kontinent, die Hemisphäre - ja, den Globus - noch in der gleichen Nacht verlassen habe.
    Lassen Sie es mich erklären. Ihre selbstanklägerischen Andeutungen beunruhigten mich nicht übermäßig. Ich hatte noch immer die feste Absicht, bei meinem Entschluß zu bleiben und ihre Reinheit zu respektieren, indem ich nur in der Verschwiegenheit der Nacht und an einer völlig anästhesierten kleinen Nackten operierte. »Selbstbeherrschung und Ehrfurcht« war noch immer meine Devise - sogar wenn diese (im übrigen von der modernen Wissenschaft gründlich ihres Nimbus entkleidete) »Reinheit« durch irgendein jugendlich erotisches Erlebnis, zweifellos lesbischer Art, in ihrem verdammten Camp ein wenig gelitten haben sollte. Als ich sie kennenlernte, hatte ich,

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