Höllenengel
Cyclohexylamin ...
dann Lithiumaluminiumhydrid, Ether, Hexan, Salzsäure, ach ja,
und reiner Spiritus. Alles relativ leicht zu besorgen, wenn man
sich wie er auskannte.
Dann das eigentliche Rezept.
Benzaldehyd, Nitroethan und Cyclohexylamin Verhältnis 5:4:1
mischen. Bei schwacher Hitze (30 bis 40 Grad Celsius) sechs Stunden
lang erhitzen.
Etwa einen halben Liter Wasser zugeben und das Ganze
schütteln. Dabei entstehen zwei Schichten. Die obere
wässrige Schicht entnehmen und wieder Wasser zufügen,
schütteln. Wiederholen, bis sich orangefarbene Kristalle zu
bilden beginnen. Das Wasser entfernen und die Lösung stehen
lassen, bis die gesamte Substanz auskristallisiert ist. Die
Kristalle dann mit zwei Litern reinem Spiritus, den die Dame immer
Ethanol nannte, waschen, bis sie blassgelb sind.
Die Kristalle trocknen. Sie sollten etwa 650 Gramm
Phenyl-2-nitropropen ergeben.
Das Phenyl-2-nitropropen in Amphetamin umwandeln. Dafür muss
es, wie Frau Nuul es nannte, hydriert werden, also an einigen
Stellen im Molekül der Sauerstoff gegen Wasserstoff
ausgetauscht werden. Sie sprach immer mit der Intonation einer
alten Lehrerin. Und dann das freudlose Lachen, das folgte.
Baldur empfand es als kleines Wunder, dass man die Zusammensetzung
von winzig kleinen Molekülen steuern konnte. Im Vergleich dazu
wirkte Uhrmacherei wie das Abbauen von Steinen mit
Vorschlaghämmern im Bergwerk. Weiter. Das Phenyl-2-nitropropen
in einem Liter Ether lösen und 200 Gramm
Lithiumaluminiumhydrid in derselben Menge Ether auflösen. Dann
diese beiden Lösungen mischen und bei geringer Hitze zwei bis
sechs Stunden köcheln lassen. Daran denken, dass diese
Reaktion unter Stickstoff durchgeführt werden muss, weil
jegliche Feuchtigkeit das Lithiumaluminiumhydrid
zerstört.
Wenn die Mischung so lange gekocht hat, dass die Reaktion vollendet
ist, fügt man einen halben Liter Wasser vorsichtig hinzu und
verrührt alles gut. Dann das Wasser abtrennen. Ein paarmal
wiederholen. Es ist sehr wichtig, dass man sich dabei Mühe
gibt, sagte Frau Nuul, um Aluminiumhydrid, das nicht reagiert hat,
und irgendwelche Rückstände, an deren Namen sich Baldur
im Moment nicht erinnerte, herauszuspülen. Manchmal tat sie
so, als hörte sie ihn nicht, wenn er versuchte, mit ihr zu
reden, und manchmal wiederum begann sie von sich aus mit einem
langen Vortrag, in dem sie mit ermüdender Genauigkeit
irgendwelche Details erklärte, für die sich absolut
niemand interessierte.
Als Nächstes wird die Amphetamin-Base in Ether gelöst. In
diese Lösung leitet man Salzsäure ein, um Amphetamin in
Säureform zu erhalten.
Im Trockenschrank den Ether verdampfen lassen und den Stoff in
heißem Cyclohexylamin lösen und dann abkühlen
lassen, bis sich wieder Kristalle bilden. Und dann ist die Ware
fertig, außer man möchte sie mahlen, um sie als Pulver
zu verkaufen. Nichts einfacher als das.
Baldur war mit seinen Kenntnissen zufrieden. Er musste nur noch ein
gutes Feuer legen, was nicht besonders schwierig sein würde in
einem Gebäude voller FünfzigLiter-Fässer mit
Stoffen, die viel entzündlicher waren als Benzin.
Dann musste er seinen Tod inszenieren. Sich ungesehen mit der
Produktion von einer Woche, vielleicht vier Kilo reinen
Amphetamins, davonmachen. Ein paar Monate ganz unauffällig
bleiben. Dann ein kleines Labor einrichten und dabei den
Schwerpunkt auf hochwertige Ware legen. Eine Produktionszeile. Ein
Kilo pro Woche wäre prima.
Zu Beginn hatte Baldur sich darüber gewundert, dass Frau Nuul
die Sache verkomplizierte, indem sie drei Produktionszeilen
betrieb. Platz war genug vorhanden und es wäre kein Problem
gewesen, das Rezept zu verzehnfachen und jede Woche vierzig Kilo
statt vier herzustellen. Er glaubte, dass es sich dabei um einen
Spleen von Frau Nuul handelte.
Als er sie gefragt hatte, ob es nicht einfacher sei, eine
große Produktionszeile statt dreier kleiner zu betreiben,
lächelte sie ein überhebliches
Bildungsbürgerlächeln und erklärte ihm, dass man in
einem Chemielabor nicht einfach alle Zahlen wie in einem Kochrezept
vervielfachen kann. Eine große zu verarbeitende Menge bringt
viele verschiedene Probleme mit sich. Zum Beispiel erhitzt sich
eine große Portion nicht so gleichmäßig wie eine
kleinere. Dann setzt sich mehr Feuchtigkeit in die Geräte,
wenn größere Einheiten verwendet werden, und so
weiter.
»Ich habe acht Jahre bei einer großen Firma mit dem
Scale-up von Reaktionen verbracht«, sagte sie.
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