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Hoellenengel

Hoellenengel

Titel: Hoellenengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thráinn Bertelsson
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muss mir dann wohl entgangen
sein.«
    Terje sah auf und schaute sie an. Sie hatte einen so ernsten
Ausdruck im Gesicht, dass er sich nicht verkneifen konnte, sie zu
provozieren.
    »Ich weiß auch nicht, wie ich so etwas Dummes sagen
konnte. Ich nehme es zurück«, sagte er. »Es ist
nicht politisch korrekt. Wahrscheinlich habe ich in der letzten
Zeit nicht genug Gemüse gegessen.«
    Sobald er >politisch korrekt< ausgesprochen hatte, sah er,
dass er sie beleidigt hatte. Ihr Geduldsfaden war anscheinend
kurz.
    »Hast du schon einmal was von den isländischen Sagas
gehört?«, fragte Dagný und musterte ihn
kühl.
    »Isländische Sagas? Den Namen kenne ich
irgendwoher.«
    »Sie sind randvoll mit Mord und Totschlag, von den ersten
Jahren der Besiedlung bis ins dreizehnte Jahrhundert, und das weist
unleugbar darauf hin, dass Isländer genauso in der Lage sind
wie andere Völker, grenzenlose Gewalt
einzusetzen.«
    »Wir haben Fortschritte gemacht seit dem dreizehnten
Jahrhundert.«
    »Was ist mit Axlar-Björn?«
    »War das nicht der, der die Ferien auf dem Bauernhof
erfand?«
    »Das kann man vielleicht so sagen. Jedenfalls ermordete er
mehr als zwanzig ahnungslose Gäste, die bei ihm Unterkunft
suchten.«
    »War vielleicht schüchtern, der arme Kerl, und hat sich
nicht getraut, fünfundzwanzigtausend Mäuse für die
Nacht zu kassieren, wie Hotelbesitzer es heutzutage ohne mit der
Wimper zu zucken tun«, erwiderte Terje.
    »Trotzdem wäre ich vorsichtig mit der Annahme, dass die
Þingvellir-Morde unter dem Einfluss von AxlarBjörn
begangen wurden.«
    »Wie kommst du darauf, dass ich das behaupten
würde?«, fragte Dagný. »Nicht genug damit,
dass du den Geschmack eines Kindes hast, du verdrehst einem auch
die Worte im Mund wie ein ungezogenes Kind, wenn man versucht, mit
dir zu reden.«
    »Also«, sagte Terje und beschloss einen
Besänftigungsversuch. »Alles, was im Ausland geschieht,
passiert auch in Island. Nur später. Der Vorfall in
Þingvellir war so grauenhaft, dass niemand von unserer
Polizei jemals etwas Vergleichbares gesehen hat, wie du
weißt. Das heißt, entweder handelt es sich um eine
ausländische Operation oder eben irgendeinen weitsichtigen
isländischen Trendsetter. Verstehst du mich?«
    »Das ist ja nicht so schwer«, sagte Dagný.
»Diese Vermutung, die du so brillant findest, baut einfach
auf der weithin bekannten Denkweise auf, die manchmal
Männerlogik genannt wird.«
    »Wie das?«
    »Also, schau mal. Was du sagst, ist, dass die
Þingvellir-Morde so blutrünstig waren, dass sie entweder
von ausländischen Tätern begangen worden sein müssen
­ oder Isländern. Die Argumentation ist tadellos, aber
nicht besonders hilfreich, weil das Ergebnis ist, dass alle
Erdenbewohner infrage kommen ­ und von denen gab es heute
Morgen sechs Milliarden und sechshundertundsieben Millionen
sechshundertzweiundneunzigtausendvierhundertvierunddreißig.
Also, wollen wir langsam aufbrechen?«
    »Ja«, sagte Terje. Männerlogik war für ihn
ein neues Wort. Dagný hatte offenbar verborgene
Qualitäten.
    Als sie im Auto saßen, sagte sie: »Da war noch etwas,
was ich dir sagen wollte.«
    »Was denn jetzt?«, sagte Terje und stöhnte.
»Noch mehr Männerlogik?«
    »Das weiß ich gar nicht«, sagte Dagný.
»Ich will nur, dass dir eins absolut klar
ist.«
    »Und was ist das?«
    »Das ist, wenn wir jemals gehabt hätten ... was wir
nicht haben und nicht haben werden ... dann kann ich dir
versprechen, dass du dich daran erinnern
würdest.«
    »Gute Polizisten stellen keine Behauptungen auf, außer
sie sind auch bereit, zu beweisen, dass sie recht haben«,
sagte Terje und fuhr los.

Sechzehn
    Þórhildur stand ein langer Arbeitstag bevor. Es gab
die drei Leichen aus Þingvellir und dazu noch zwei
früher eingelieferte Fälle, einen Ertrunkenen und einen
Erhängten, wahrscheinlich Selbstmord, um die sich Sveinn noch
nicht hatte kümmern können.
    »Absolut unglaublich, wie viele unbedingt sterben wollten,
während du weg warst«, sagte er zu
Þórhildur.
    Sveinn war ein vielversprechender Rechtsmediziner, aber er hatte
zwei Fehler. Er war sehr von sich eingenommen ­ was Randver
total auf die Nerven ging ­ und ausgesprochen geschwätzig;
was Randvers Geduld besonders strapazierte, waren die endlosen
Vorträge über die Geheimnisse der forensischen Medizin.
Wenn man Randver etwas vorwerfen konnte, dann, dass er selbst
ungeheuer redselig war.
    »Ich habe den Verdacht, dass irgendwelche Professoren in der
Medizinischen Fakultät

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