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Hoellenengel

Hoellenengel

Titel: Hoellenengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thráinn Bertelsson
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nicht«,
sagte die Frau schnell. »Ich habe keine Ahnung, wo er
gelandet ist, wenn er denn überhaupt noch im Land
ist.«
    »Diese Adresse ist als sein Wohnsitz eingetragen«,
sagte Dagný.
    »Ja«, sagte die Frau und bückte sich nach einem
dicken Stapel von Briefen, die mit einem Gummiband zusammengehalten
wurden. »Das ist eine Monatsration Mahnungen. Er kommt ein
paarmal im Jahr und bringt sie raus in die
Mülltonne.«
    »Bist du Brynja, die Mutter von Ævar
Gísli?«, fragte Dagný. »Wir sind von der
Polizei, das ist Terje Joensen und ich heiße Dagný
Axelsdóttir. Leider müssen wir dir mitteilen, dass
Ævar Gísli verstorben ist.«
    Die dunkelhaarige Frau zeigte keine Reaktion. Sie legte den
Briefstapel wieder auf seinen Platz. Dann schaute sie die beiden,
die in der Tür standen, an und fragte: »Wann ist er
gestorben?«
    »Das können wir beim jetzigen Stand der Dinge nicht
beantworten«, sagte Terje. »Der Fall wird noch
untersucht und wir sind nicht nur hier, um dir das mitzuteilen,
sondern auch, um dich zu bitten, mit uns zu kommen, um die Leiche
zu identifizieren.«
    *****
    Unterwegs im Auto unterbrach Brynja das Schweigen: »Ihr
müsst etwas erzählen. Was ist dem Jungen eigentlich
zugestoßen?«
    »Drei Männer wurden tot in einem Sommerhaus am
Þingvallavatn gefunden«, sagte Terje. »Wir
untersuchen diesen Mordfall.«
    »Ich habe diesen Polizeibesuch seit mehr als zehn Jahren jede
Nacht erwartet«, sagte Brynja. »Auch tagsüber,
aber vor allem nachts. Besonders spätnachts. Kurz vor dem
Morgen. Ich schrecke auf, wenn ich höre, wie ein Auto
frühmorgens vor dem Wohnblock anhält. Es ist eine gewisse
Erleichterung, das nicht mehr erwarten zu müssen. Dass es
vorbei ist. Auch wenn es seltsam klingt, bin ich dankbar
dafür, dass es so gekommen ist. Ich hatte Angst, dass es
andersherum laufen würde.«
    »Wie denn?«, fragte Dagný.
    »Nun ja, auf eine gewisse Weise bin ich froh, dass sein Leben
beendet ist. Am meisten habe ich gefürchtet, dass er jemand
anderem das Leben nehmen könnte.«
    *****
    Brynja bestätigte, dass der Leichnam der ihres Sohnes
Ævar Gísli Guðbergsson war.
    Sie berührte die Leiche nicht, aber betrachtete das Gesicht
ihres Sohnes. Terje sah, wie sie von unterdrücktem Schluchzen
geschüttelt wurde, ging zu ihr und legte den Arm um ihre
Schultern. Sie lehnte sich an ihn und ließ ihren
Gefühlen freien Lauf. Die Tränen begannen zu
fließen und sie schniefte.
             
    Nach einer kurzen Zeit öffnete sie ihre Handtasche, nahm ein
Taschentuch heraus und betupfte sich die Augen.
    »Ich danke dir«, sagte sie zu Terje. »Es war gut,
weinen zu können. Damit habe ich nicht gerechnet. Ich dachte,
mein Ævar hätte meine letzten Tränen schon vor
Langem ausgetrocknet.«
    *****
    Als Terje das Auto in Gang setzte und sich bereitmachte, vom
Parkplatz des Leichenschauhauses zu fahren, erschien ein seltsames
Fahrzeug, das sehr schnell fuhr und dann abrupt unmittelbar hinter
dem Polizeiauto bremste.
    Terje stieg aus dem Polizeiwagen aus, um der Sache
nachzugehen.
    Das Fahrzeug war ein rosa lackierter Hummer-Geländewagen, der
verlängert worden war, sodass er die Länge von einem
Omnibus bekommen hatte. Auf die Seiten des Autos waren Konturen
nackter Frauen gemalt und vorn und hinten prangte ein
riesengroßes Logo: »Octopussy Night Club for
Executives«.
    Die Fahrertür wurde geöffnet und heraus stieg ein
kleinwüchsiger, dicker junger Mann.
    »Guten Tag«, sagte Terje und ging auf den jungen Mann
zu, der nicht antwortete. »Kann ich etwas für dich
tun?«
    »Ist das nicht das Leichenschauhaus?«, fragte der junge
Mann.
    »Doch.«
    »Wir wollen meinen Vater sehen.«
    »Und dein Name ist ...?«
    »Ich heiße Elías Elíasson. Manchmal
genannt Junior.«
    »Ich heiße Terje Joensen«, sagte Terje und
streckte die Hand aus. Der junge Mann ignorierte sie.
    »Wen hast du mitgebracht?«, fragte Terje.
    »Meine Mutter ist im Auto ­ und ihre
Rechtsanwältin.«
    »Fabelhaft«, sagte Terje. »Darf ich dich dann
bitten, dieses Fahrzeug auf legale Weise hier auf dem Parkplatz vor
dem Haus zu parken und eine Viertelstunde zu warten, bis
Wachtmeisterin Dagný Axelsdóttir und ich
wiederkommen. Dann könnt ihr den Verstorbenen sehen.«
»Warum nicht sofort?«, fragte der junge
Mann.
    »Weil ich in einer Viertelstunde wiederkomme und dann werdet
ihr gerne empfangen. Wenn der Termin ungünstig ist, könnt
ihr auch morgen um 16:30 Uhr kommen. Du
entscheidest.«
    »Viertelstunde?«,

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