Hoellenfeuer
Palast schien viele Türen zu haben, doch keinen einzigen Ausgang.
Dann jedoch erzitterte die Luft erneut und mit einem unfassbaren Geräusch, das an das Zerreißen eines gigantischen Blattes Papier erinnerte, zerbrach der Palast und seine Welt stürzte für immer ein.
Eleanor blickte sich um. Sung- Che war fort, doch Samael stand direkt vor ihr und sah sich entsetzt um. Sie waren wieder im Hof des Klosters und um sie herum spielte sich eine unglaubliche Szene ab. Mehrere hundert Engel umkreisten den Berg ohne erkennbare Ordnung. Sie rasten mit unglaublicher Geschwindigkeit um die unsichtbare Barriere und immer wieder stürzten einige von ihnen sich hinab, um sie zu durchstoßen. Und währenddessen stießen sie alle unablässig dieses tiefe Brüllen aus, das die Erde in ihren Grundfesten erschütterte. Die Welt außerhalb der Barriere vibrierte, flimmerte und erzitterte, als wäre sie nicht mehr als ein Spiegelbild, das von den mächtigen Fäusten und Stimmen der Engel in Schwingungen versetzt würde. Es konnte nur noch eine Frage der Zeit sein, bis Samaels Barriere unter der Wucht dieses Angriffs zusammenstürzen würde und die ersten Engel sie durchbrechen könnten.
„Nein… nein “, stammelte Samael verwirrt.
Eleanor hätte vor Glück laut schreien können. Raphael war hier. Und er hatte tatsächlich Himmel und Hölle in Bewegung versetzt, um zu ihr gelangen zu können. Himmel und Hölle.
„Warum… warum tun sie das?“, zischte Samael voll Zorn und Entsetzen. „All das für einen Menschen. Warum nur?“
„Sie würden für dich das gleiche tun, wenn du ihnen nur einen Grund geben würdest, dich zu lieben!“, sagte Eleanor tonlos.
Samael blickte sie verwirrt von der Seite an.
„Aber die meisten von ihnen kennen dich nicht einmal“, erwiderte er verwirrt.
„Das müssen sie auch nicht. Sie verbinden mit mir eine Hoffnung. Auch Hoffnungen kann man lieben. Sie sind oft das einzige, was einen im Leben hält. Sie sind das, woran man sich klammert, wenn man keinen anderen Halt mehr findet.“
In diesem Augenblick erklang ein mächtiger und dumpfer Schlag, als der erste Engel die Barriere durchbrach. Sie hatte so plötzlich nachgegeben, dass der Engel keine Gelegenheit mehr hatte, seinen Angriff abzubremsen. Mit voller Wucht durchschlug er Samaels unsichtbare Mauer und knallte auf die Pflastersteine des Klosterhofes, nur wenige Meter von Samael und Eleanor entfernt. Dort blieb er einen Augenblick lang regungslos liegen, während die Engel außerhalb des Klosters ihre Angriffe verstärkten.
Eleanor rannte zu dem gefallenen Engel, der noch immer groß und mächtig auf den kalten Steinen des Hofes lag. Sie berührte sein Gesicht und wandte es in ihre Richtung. Kurz darauf schlug der Engel seine Augen auf und blickte sie an.
„Eleanor “, stammelte er benommen. „Ihr müsst Eleanor sein.“
Eleanor nickte, während sie mit den Tränen kämpfte. Sie hatte diesen Engel noch nie zuvor gesehen, doch es berührte sie über alle Maßen, dass er unter Einsatz seines Lebens um ihre Freiheit kämpfte.
Taumelnd erhob sich er Engel. Er breitete seine Schwingen weit aus, legte den Kopf in den Nacken und stieß ein so lautes Brüllen aus, das die Wände des Klosters erzitterten. Eleanor hielt sich die Ohren zu und sank vor Schmerzen auf die Knie.
In diesem Augenblick gab die Barriere endgültig nach. Jetzt, da sie auch von Innen attackiert wurde, war sie dem Druck der rebellischen Engel nicht länger gewachsen.
Mit einem Geräusch, das wie ein lautes Seufzen klang, fiel sie in sich zusammen und gab das Kloster frei. Mehrere Engel hatten ihren Angriff nicht mehr abbremsen können und schlugen nun hart auf dem Klostergelände auf. Sieben oder acht von ihnen brachen dabei durch die Dächer verschiedener Klostergebäude, die mit enormem Getöse zusammenstürzten und minutenlang in riesigen Staubwolken verschwanden.
Allmählich aber legte sich das Chaos. Mehr und mehr Engel landeten im großen Hof und stellten sich um Eleanor und Samael auf. All dies geschah in völliger Lautlosigkeit. Keiner sagte ein Wort und nach dem unglaublichen Lärm der vergangenen Minuten hatte Eleanor in der plötzlichen Stille beinahe das Gefühl, taub geworden zu sein.
Als Letzter landete Raphael direkt vor Eleanor. Sie blickte ihn einen Augenblick lang strahlend an. Dann fiel sie ihm glücklich in die Arme.
„Du hast mir so gefehlt “, flüsterte sie. „Ich wäre hier allein niemals herausgekommen.“
„Ich hätte dich niemals
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