Hoellenfeuer
fauchte Asasel. „Du hast dich von Gottes Auftrag losgesagt. Wir erkennen dich nicht länger als unser Oberhaupt an! Verräter!“
Samael hielt inne. Das letzte Wort hatte die Stille der Wüstenschlucht wie ein Peitschenhieb durchschlagen. Viele der anwesenden Engel und Dämonen waren unwillkürlich vor Schreck zusammengezuckt. Eine solche Herausforderung hatte es weder im Himmel noch auf Erden jemals gegeben. Seit Anbeginn der Engel nicht.
Samael lächelte. Es war kein Lächeln der Geringschätzigkeit oder des Hohns, es war nicht herablassend oder gar aufgesetzt. Es war ehrlich und offen.
„Noch gestern hätte ich dich allein für diese Anmaßung zur Rechenschaft gezogen“, sprach er ruhig über die Köpfe tausender Engel und Dämonen hinweg zu Asasel. „Ich hätte es dir niemals durchgehen lassen, dass du dich zum Herrn der gefallenen Engel aufschwingen willst. Denn das ist doch dein Ziel. Du willst der neue Fürst der Engel auf dieser von Gott verlassenen Welt werden.“
Allein jene Enge l, die unmittelbar in Asasels Nähe saßen, bemerkten den unruhigen Blick, mit dem Asasel Samaels Worte erwiderte. Er wirkte in diesem Moment wie ein Tier in der Falle, das sich fast panisch nach einem Ausweg umsieht.
„Aber ich bin dir nicht böse “, fuhr Samael fort. „Wenn ein Fürst der Engel zu sein für mich bedeutete, mein Leben wie in den letzten Jahrtausenden zu führen, dann ist das nicht mein Weg.“
Asasel öffnete fassungslos den Mund und sah ungläubig zu Samael hinüber. Tausende von Engeln hielten die Luft an.
„Nur in einer Sache mache ich mir Sorgen “, sagte Samael nachdenklich. „Ich kenne niemanden, der die Macht mehr liebt, als du, Asasel. Wenn du die gefallenen Engel auf dieser Welt anführst, ahne ich Schlimmes für die Menschen. Wirst du sie verführen, oder sie vernichten? Die Menschen haben unter mir und meiner Führung arg genug gelitten. Aber es gab Regeln, die selbst ich nicht gebrochen habe. Wie sieht es mit dir aus?“
Eine erwartungsvolle Stille breitete sich in der Menge aus. Niemand sagte ein Wort, alle sahen Asasel neugierig an. Auch Asasel schwieg, doch schließlich ballte er die Fäuste und starrte voll Bösartigkeit zu Samael zurück.
„Das habe ich mir gedacht “, schloss Samael. „Und genau deshalb werde ich das nicht zulassen. Wenn ich bis zum Tag des Jüngsten Gerichts mit dir kämpfen muss, dann werde ich das tun! Ich werde nicht zulassen, dass du ein Fürst der Engel wirst! Lieber sterbe ich!“
Eine unheimliche Stille legte sich mit bleierner Schwere auf die Wüstenschlucht, an deren Felswänden tausende von Engel und Dämonen hockten. Niemand wagte auch nur ein Wort zu sagen. Viele sahen sich untereinander zweifelnd und entsetzt an, denn Samaels Worte waren zu ungeheuerlich, als dass auch nur einer unter ihnen an sie glauben mochte.
„Was ist los?“, flüsterte Eleanor ungeduldig hinter Raphaels Rücken. „Warum ist es plötzlich so still? Ich höre niemanden mehr.“
Raphael schluckte. „Es… es ist… nicht…“, stotterte er leise, während er seinen Blick nicht von der aufrechten, strahlenden Gestalt Samaels zu lösen vermochte.
„Was ist denn?“, fragte Eleanor. Sie trat näher an Raphael heran und legte ihm von hinten eine Hand auf die Schulter. Sanft rüttelte sie ihn in die Wirklichkeit zurück, bis sie ihn tief einatmen hörte und er aus seiner Starre erwachte. Er wandte sich nicht zu Eleanor um, während er zögernd sprach.
„Wir Engel bestehen aus dem himmlischen Feuer. Unsere Körper sind fast unverwundbar und die Zeit kann ihnen nichts anhaben. Auch untereinander sind wir kaum zu verletzen. Wir können einander nicht ohne weiteres zu Schaden bringen, es sei denn…“
„Was?“, fragte Eleanor ängstlich.
„Das Feuer unserer Körper ist zu mächtig und es brennt zu heiß, als dass man es einfach löschen könnte. Es kann nur unter einer einzigen Voraussetzung durch einen anderen Engel gelöscht werden“, Raphael wandte sich zu Eleanor um und sah sie mit hartem Blick an. „Ein Opfer! Ein Engel kann einen Artgenossen nur töten, indem er sein Feuer unter Einsatz seiner eigenen Lebensenergie zum Erlöschen bringt!“
Eleanor erstarrte.
„Heißt dass…“, stammelte sie, „…dass Samael sterben würde, wenn er Asasel aufhielte?“
Raphael blickte sie wortlos an und nickte ernst.
Ein meckerndes Lachen unterbrach die Stille. Raphael und Eleanor wandten ihren Blick ebenso wie alle anderen dem Felsen zu, auf dem die krumme
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