Hoellenfeuer
verbreiteten nun ein angenehmes Licht, das eine kleine, verlassene Eremitenkirche offenbarte.
Direkt vor ihren Füßen führten drei Stufen zu einem Altar empor, hinter dem ein grobes Kreuz in den Fels gemeißelt worden war. Links hinter der Altarwand sah sie eine dunkle Höhlenöffnung, die in einen weiteren Raum führte.
„Hier solltest du vorerst sicher sein “, flüsterte Raphael, dessen Stimme von den kahlen Wänden unheimlich wiederhallte. Eleanor nickte verängstigt.
„Mittlerweile werden unsere Verfolger eingetroffen sein “, fügte Raphael hinzu. „Ich werde nach vorn gehen und die Lage klären.“
„Lass mich mitkommen “, bat Eleanor zitternd. „Ich will nicht, dass du ihnen allein gegenübertrittst. Ich werde direkt im Höhleneingang bleiben, ich verspreche es.“
Raphael zögerte, dann nickte er kurz.
„Halte dich bereit, in die Höhlenkirche zurückzulaufen, wenn die Situation eskaliert.“
Dann gingen die beiden zum Ausgang zurück. Raphael schritt entschlossen voran, während Eleanor ihm ängstlich folgte. Immerhin war der Rückweg nun leichter, da zum hellen Tageslicht vor ihnen jetzt noch das Fackellicht aus dem Inneren der Kirche die Wände beleuchtete.
Kurz darauf erreichten die beiden wieder den Höhleneingang und Raphael trat ins gleißende Tageslicht hinaus. Eleanor blieb wachsam hinter ihm stehen, doch der A nblick, der sich ihr bot, ließ ihr den Atem stocken. Die schroffe Felswand der gegenüberliegenden Seite jener Schlucht, die sich unmittelbar vor der Höhlenkirche zu beiden Seiten erstreckte, war bis auf den letzten Quadratmeter von Engeln und Dämonen bedeckt. Dicht an dicht saßen sie auf den Felsvorsprüngen des Bergmassivs, krallten sich an steinerne Schründe, wogten und bewegten sich unruhig hin und her.
Sie alle hatten den Blick auf den Höhleneingang gerichtet und sahen nun zu Raphael und Eleanor hinüber, die sich im Dunkel des Höhlenganges hinter ihm hielt. Ein Tuscheln und Raunen lief wie eine Welle durch dieses Meer an geflügelten Wesen, als Raphael vortrat.
Voll Angst blickte Eleanor an ihm vorbei. Nur wenige hundert Engel erstrahlten in dem hellen und freundlichen Licht, das Eleanor so an Raphael liebte. Die meisten von ihnen hatten indes jenes unheimliche, rote Glühen in ihren schwarzen Leibern, welches unruhig vor sich hin pulsierte und die umliegenden Felsen trotz des gleißendes Sonnenlichtes in Dunkelheit und Finsternis tauchte. Diese Engel trugen Zorn in sich. Sie waren nicht mit sich und der Welt im Reinen und würden nicht auf Eleanors Seite stehen. Die strahlenden Engel saßen einzeln und verstreut inmitten der dunklen Dämonen, sämtliche Kämpfe waren eingestellt worden, denn Eleanor befand sich außerhalb ihrer aller Reichweite im Schutze der Kirche. Es gab keinen Grund mehr für sie, noch länger zu kämpfen, da doch niemand den anderen ernsthaft zu Schaden hätte bringen können.
„Was gibt es, das ich euch sagen könnte?“, begann Raphael. „Die Lager haben sich gebildet und ein jeder von euch weiß, wohin er gehören will. Was also sollen wir tun?“
Ein hämisches Gelächter erklang aus der Menge der Dämonen. Alle wandten ihren Blick Asasel zu, der voll Hohn zu Raphael und Eleanor hinübersah.
„Ich werde dir sagen, was wir tun werden “, rief er. „Dein Menschenweiblein mag hundertmal in der Sicherheit eines Gotteshauses stehen. Sie bleibt dennoch ein Mensch und Menschen müssen essen und trinken. Wir werden weiter nichts tun, als hier zu bleiben, um zu verhindern dass deine Helfershelfer…“ – er sah sich geringschätzig um – „… Lebensmittel und Wasser in die Höhle bringen. Und selbst wenn euch dies gelingen sollte, so könnt ihr sie doch niemals aus der Kirche herauslassen, denn dann gehört sie uns. In spätestens sechzig oder siebzig Jahren wird sich das Problem von allein gelöst haben! Wir Engel haben alle Zeit der Welt!“
Ein bösartiges Gelächter lief durch die Menge, vermischt mit geifernden und knurrenden Geräuschen.
„Was maßest du dir an?“, brüllte Samael, der aufgestanden war und nun die umliegenden Engel auf ihren Felsen mannshoch überragte. Für einen kurzen Augenblick färbte auch sein Körper sich finster und ließ das rote Feuer in seinem Innern auflodern, doch Eleanor wusste, dass sein Zorn nicht ihr galt, sondern allein Asasel und seinen Getreuen.
„Bin ich nicht noch immer euer Fürst und Anführer? Du hast nicht über deine Brüder zu bestimmen!“
„Du ebenso wenig!“,
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