Hoellenfeuer
zögern nahm Raphael Eleanor hoch. Ein letztes Mal blickte er sich um, dann legte er den Kopf in den Nacken und stieß ein markerschütterndes Brüllen aus. Für den Bruchteil einer Sekunde erstarrten alle Engel und Dämonen im Kampf. Ihre Blicke wandten sich Raphael zu, der Eleanor auf den Armen trug. Dann erhob Raphael sich in die Luft und ließ den Feuerring unter sich zurück.
Ein Fauchen, Schreien und Brüllen drang von tief unten an Eleanors Ohren. Tausende von Dämonen versuchten nun, den beiden zu folgen, doch die Engel ließen es nicht zu. Jetzt konzentrierten sie sich darauf, den Dämonen den Weg in die Luft zu versperren, sie am Boden zu halten und an der Verfolgung der beiden Flüchtenden zu hindern.
Eleanor hatte die Arme fest um Raphaels Hals gelegt. Die gewaltigen Berge des Himalaya fegten an ihr vorbei, blieben unter ihr zurück und wurden kleiner und kleiner. Raphael blickte mit ernster Miene verbissen nach vorn.
„Wo bringst du mich hin?“, fragte Eleanor.
„An einen heiligen Ort natürlich. Aber er muss abgeschieden liegen, denn ich weiß nicht, ob sich die Gemeinschaft der gefallenen Engel noch an die Weisung gebunden fühlt, die Heiligkeit eines Ortes anzuerkennen. Sollte der Kampf dort weitertoben, dürfen die Menschen so wenig wie möglich davon mitbekommen.“
Noch nie zuvor hatte Eleanor Raphael so schnell fliegen sehen. Sie war sich vollkommen sicher, dass allein seine Berührung ihren Körper davor schützte, durch Kälte und Flugwind Schaden zu nehmen. Die Kräfte, die bei solchen Geschwindigkeiten auf einen Menschen einwirkten, mussten gewaltig sein.
Immer wieder sah sie über Raphaels Schulter zurück, in der Angst, dort am Horizont die Armeen der Engel und Dämonen hinter sich zu erblicken. Zunächst hatte sie nichts dort entdecken können, dann jedoch hatte sie in großer Entfernung die ersten Punkte in der Luft gesehen, die ihnen offensichtlich folgten. Es waren mehr und mehr geworden, bis es schließlich keinen Zweifel daran geben konnte, dass sie verfolgt wurden. Die Armee der Engel hatte ihnen einen Vorsprung verschafft – mehr aber nicht. Eleanor konnte nur hoffen, dass Raphael das Tempo würde halten können.
Als sie einige Zeit darauf zum ersten Mal hinab blickte, stockte ihr der Atem. Sie war schon einmal hier gewesen, diese Landschaft kannte sie. Unter ihr breitete sich die majestätische Berglandschaft des Sinai aus – des Garten Gottes.
„Dort gibt es einen sicheren Ort?“, rief Eleanor durch den tosenden Flugwind.
„Weit mehr als nur einen “, erwiderte Raphael konzentriert. „Dieses Land ist vielen Religionen heilig. Vor allem die Christen haben vor hunderten von Jahren in den Bergen viele Felsenkirchen errichtet. Es gab zahllose Eremiten, Einsiedler, die sich dort vor der Welt verkrochen haben und sich eigene Kirchen bauten.“
Mit diesen Worten ging Raphael in einen Sturzflug über. Er beschrieb noch eine letzte elegante Kurve, während die braunen, kahlen Berge des Sinai nun mit rasender Geschwindigkeit auf sie zustürzten. Eleanor schloss die Augen.
Wenige Augenblicke später setzte Raphael sanft auf einer schmalen Plattform auf, die sich an die steile Felswand eines Berges klammerte. Dann ließ er Eleanor sanft aus den Armen gleiten.
Eleanor blickte sich um. Die Felsenklippe, auf der sie stand, war kaum zwei Meter breit und lang. Nach drei Seiten hin fiel die Felswand hier fast senkrecht über mehrere hundert Meter steil bergab. An der vierten Seite hingegen erhob sich der Berg gen Himmel, dort sah sie einen Höhleneingang.
„Schnell, hier hinein!“, rief Raphael und zog Eleanor hinter sich her auf die Felswand zu. Er schob sie an sich vorbei in die Dunkelheit, dann blickte er sich ein letztes Mal um und sah über den Bergen die ersten Dämonen und Engel auftauchen.
Im Innern des Berges war es überraschend kühl, ganz anders als in der flimmernden Wüstenluft außerhalb der Höhle. Eleanor hastete an der Hand Raphaels unsicher voran. Da ihre Augen sich noch nicht an die Finsternis gewöhnt hatten, sah sie zunächst so gut wie nichts.
Schließlich veränderten sich die Geräusche um sie herum. Das Echo ihrer stolpernden Schritte erklang plötzlich hallender und verriet, dass sie einen größeren Raum betreten hatten. Ein undefinierbares Geräusch erklang und plötzlich war die Höhle von einem warmen Licht erfüllt. Eleanor sah sich fasziniert um. Mehrere Fackeln an der Wand hatten sich auf Raphaels Geheiß hin entzündet und
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