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Hoellenfeuer

Hoellenfeuer

Titel: Hoellenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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Jetzt aber war die Oberfläche des Brettes so zerfressen von diesem Meer, dass man seinen ursprünglichen Zweck kaum noch erahnen konnte. Es musste eine lange Zeit vergangen sein, die Eleanor so auf diesem Ozean dahingetrieben war. Irgendwann blickte sie zum Himmel und sah über sich wieder die abertausenden Sterne, die so voll Leben schienen, doch zu weit entfernt waren, als das man sie je hätte erreichen können. Und zwischen all diesen Welten war der kalte schwarze Weltraum mit seinen unendlichen Weiten.
    Eleanor erschauerte und blickte wieder auf ihre schwimmende Tür. Eine Ewigkeit war vergangen, bis ihr auffiel, dass ihr eigenartiges Gefährt sich nicht länger bewegte. Das einschläfernde Auf und Ab der Wellen war verschwunden und hatte einer völligen Bewegungslosigkeit Platz gemacht. Eleanor sah sich um; sie war gestrandet. Hinter sich spürte sie den lautlosen toten Ozean mehr als das sie ihn sah, doch vor ihr lag das Tote Land, das sie schon aus ihrem ersten Traum kannte. Und dort am Horizont sah sie ein Gebäude, so gigantisch, dass es in der finsteren und etwas nebligen Atmosphäre dieses merkwürdigen Planeten nur schemenhaft zu erkennen war und eher wie ein skurriles Gebirge gewirkt hätte, wären seine Formen nicht eindeutig künstlich gewesen.
    Eleanor wusste, dass dies der Palast sein musste, den sie bereits kannte und in dem sie das Gesicht im Spiegel gesehen hatte. Doch erst jetzt wurde ihr bewusst, wie ungeheuerlich die Dimensionen dieses Bauwerkes sein mussten. Trotz seiner unfassbaren Ausmaße, die den halben Horizont zu füllen schienen, war es so in Dunst und Wolken verborgen, dass nur seine Umrisse zu erahnen waren und sein riesiger Schatten über den größten Teil des Toten Landes fiel. Eleanor würde Tage dorthin brauchen, wenn nicht gar Wochen. Und einmal dort angekommen müsste sie den Eingang suchen und das richtige Zimmer. Das Zimmer mit dem Spiegel.
    Eleanor schossen die Tränen in die Augen. Sie war tatsächlich in dieser Nacht ein zweites Mal an jenen Ort gekommen, den sie aus ihrem ersten Traum kannte. Doch das Wesen, welches sie dort getroffen hatte, würde sie dieses Mal nicht finden.
    Eleanor sank auf die Knie und weinte. In diesem Augenblick wurde sie fest an der Schulter gepackt und wild gerüttelt.
     
    Mit einem Schrei warf Eleanor sich in ihrem Bett auf. Sie schlug wild und unkontrolliert um sich und Schwester Emily konnte nur mit Mühe ausweichen und riss dabei Dr. Marcus mit sich, der dicht hinter ihr gestanden hatte.
    „Halten Sie sie fest!“, rief Dr. Marcus. Dann griffen Schwester Emilys Hände und die eines weiteren Pflegers hart zu und drückten Eleanor erneut aufs Bett zurück. Dr. Marcus zog eine Spritze und drückte sie Eleanor in den Oberarm. Fast unmittelbar versagten ihre Muskeln den Dienst und sie wurde schlaff. Ohne überhaupt ganz zu Bewusstsein gekommen zu sein, fiel Eleanor zurück in den Schlaf. Die letzten Worte die sie in der Dämmerung ihre Geistes vernahm, waren die Worte Schwester Emilys: „Mein Gott, Doktor. Sie hat im Schlaf mit offenen Augen geweint!“
     
    Als Eleanor erwachte, fühlte sie sich wie erschlagen. Bizarrerweise erinnerte sie sich an alles. An ihren Traum unter Drogeneinfluss, den Augenblick ihres Erwachens unter Schwester Emilys Berührung und auch ihre anschließende Ruhigstellung durch ein Sedativum. Vor allem aber wusste sie, dass sie kein weiteres Tetradyxol bekommen würde – nicht nach dieser Nacht. Und das bedeutete, dass sie das Gesicht im Spiegel nicht wiedersehen würde. Niemals mehr.
    Eleanor setzte sich im Bett auf und begann wieder zu weinen. Das Gefühl des Verlustes war so groß, dass es sie zu erdrücken drohte.
     
    Rund eine Stunde später hatte Eleanor sich so weit beruhigt, dass sie ihr Zimmer verlassen konnte. Sie fühlte sich elend, doch sie hatte sich angezogen, die Zähne geputzt und beschlossen, etwas über das Gelände des Sanatorium s zu streifen. Um nichts in der Welt hätte sie in ihrer Verfassung auf ihrem Zimmer bleiben wollen.
    So fand sie sich kurz darauf im hinteren Garten des Sanatorium s wieder. Heute schien zu dieser Zeit niemand draußen zu sein und so atmete Eleanor erleichtert auf. Es hatte leicht zu nieseln begonnen doch das störte sie nicht. Sie nahm den Regen kaum wahr, während sie an den Beeten und Rasenflächen vorbei in den hinteren Bereich des Gartens ging, wo sie die kleine Parkbank wusste, auf welcher sie vor kurzem mit Bess gesessen hatte. Eleanor blickte sich um. Es war

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