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Hoellenfeuer

Hoellenfeuer

Titel: Hoellenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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ihrem Gesicht gänzlich verschleierte.
    Nachdem das Mädchen sich auf die Brüstung gestellt hatte, breitete sie ihre Arme aus.
    „Warum tust du das?“, erklang in diesem Augenblick eine Stimme aus der Dunkelheit.
    Das Mädchen zuckte vor Schreck so sehr zusammen, dass sie beinahe unabsichtlich in die Tiefe gestürzt wäre. Der Schreckenslaut auf ihren Lippen war so leise, dass er im Tosen des Windes und dem Rauschen des Regenwassers unterging.
    „Wer ist da?“, hauchte sie so leise, dass es kaum einen Meter weiter nicht mehr zu verstehen gewesen wäre.
    Doch die Stimme aus der Dunkelheit antwortete: „Fürchte dich nicht. Ich bin hier oben.“
    Das Mädchen hob den Kopf und versuchte mit ihrem Blick die Dunkelheit und das irritierende Flimmern des Regens zu durchdringen. Dann endlich nahm sie die finstere Gestalt wa hr, die dort oben auf dem Vorsprung eines gotischen Strebepfeilers hockte. Obgleich nur wenige Meter die beiden voneinander trennten, war sie nicht in der Lage, Einzelheiten der Kleidung oder gar der Gesichtszüge zu erkennen. Hätte die Gestalt sich regungslos verhalten, wäre sie ihr nie aufgefallen. Tatsächlich wirkte das Wesen auf dem Strebepfeiler ein wenig wie ein zum Leben erwachter Wasserspeier, von denen es hier so viele gab. Es schien sogar so, als habe es Flügel, die es hinter seinem Rücken zusammengefaltet zu verbergen suchte. Einzig seine Bewegungen und ein Funkeln in den Augen verrieten es.
    „Sag, warum willst du das tun?“, wiederholte das Wesen seine Frage. „Warum willst du von diesem Turm springen, wenn doch deine Kirchenfürsten sagen, dass du für einen Selbstmord in die Hölle kommst?“
    Das Mädchen blickte verunsichert zu Boden, während von der Höhe des Strebepfeilers ein eigentümliches Kichern zu ihr hinunter drang.
    „Ich würde sagen, du verlagerst das Problem nur “, fuhr das Wesen auf dem Pfeiler fort. „Offenbar willst du dir das Leben nehmen, weil du es als die Hölle empfindest. Stattdessen tauschst du es gegen eine andere Hölle ein.“
    „Vielleicht täuschen sich unsere Priester “, war nun die Stimme des Mädchens zum ersten Mal ganz leise zu hören. „Vielleicht täuschen sie sich und Gott verzeiht mir und ich komme gar nicht in die Hölle.“
    Das dunkle Wesen auf dem Strebepfeiler stieß ein meckerndes Lachen aus. „Glaube mir “, sagte es. „Eure Kirchenmänner kennen sich gut mit der Hölle aus. Sie haben sie zu einem guten Teil selbst erschaffen. Vertraue mir, du wirst in die Hölle kommen.“
    Bei diesen Worten fing das Mädchen an zu schluchzen. Die Tränen in ihrem Gesicht wurden sofort durch den Regen fortgewaschen.
    „Willst du mir nicht sagen, warum du das tun willst?“, fragte das Wesen nun sanfter. „Vielleicht ist deine Welt nicht ganz so düster, wie du im Augenblick denkst.“
    Wieder schluchzte das Mädchen laut auf, dann begann sie unkontrolliert zu weinen. „Meine Eltern werden mich verheiraten “, schrie sie schließlich unter Tränen. „Er ist vierzig Jahre älter als ich und ein ekliges Schwein. Ich kann kaum in seine Nähe kommen, ohne dass er mich mit seinen widerlichen Blicken verschlingt. Aber er hat Geld und das war das einzige, was meinen Vater interessiert. Meine eigenen Eltern verkaufen mich!“. Die letzten Worte hatte das Mädchen laut in die Nacht hinausgeschrien. „Ich komme in jedem Fall in die Hölle. Entweder durch meine Heirat oder durch meinen Tod!“
    Eine Weile sagte niemand ein Wort. Wieder drängte sich das Heulen des Windes und das Rauschen des Regenwassers über alle anderen Geräusche. Nur ab und an drang das leise Schluchzen des Mädchens durch die Nacht.
    „Vielleicht kann ich dir ein Angebot machen, das für uns beide von Vorteil ist und unser beider Leid ein wenig mildert “, sprach das Wesen schließlich leise.
    Unter Tränen hob das Mädchen sein Gesicht und blickt nach oben auf den Strebepfeiler.
    „Wer bist du?“, hauchte sie schließlich.
    „Hab keine Angst!“, sprach das Wesen. „Ich werde dir kein Leid zufügen!“
    Dann stieß es sich von dem Strebepfeiler ab, auf dem es gehockt hatte, breitete ein mächtiges Paar Flügel aus und schwebte sanft auf die Plattform des Mädchens hinab.
    Als seine Füße die Steinplatten berührten, erstrahlte der Turm urplötzlich von einem gleißenden Licht. Das hell leuchtende Wesen faltete seine Flügel wieder zusammen und trat auf das Mädchen zu, welches mit zusammengekniffenen Augen auf das geflügelte Lichtwesen starrte.
    „Fürchte

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