Höllenjagd
Lofgren, als Bell wieder in das Führerhaus stieg.
»Der Bahnhofsvorsteher sagt, dass sie vor dreieinhalb Stunden hier durchgekommen sind.«
»Dann haben wir seit Reno anderthalb Stunden aufgeholt«, sagte Lofgren mit breitem Grinsen und mit der Gewissheit, dass sich ihre Unermüdlichkeit bezahlt machte.
»Von hier bis Ogden müssen Sie gut aufpassen. Cromwell kappt die Telegrafenleitungen. Wir fahren völlig blind, falls uns ein Zug in Richtung Westen entgegenkommen sollte.«
»Halb so schlimm«, sagte Jongewaard. »Die Eisenbahngesellschaft wird es nicht riskieren, Züge auf die Hauptstrecke zu schicken, wenn sie die Bahnhofsvorsteher nicht kontaktieren kann, um die Fahrpläne abzustimmen. Trotzdem müssen wir aufpassen, vor allem an Kurven, wo wir nicht weiter als einen Kilometer sehen können.«
»Wie weit ist es bis Ogden?«, fragte Bell.
»Ungefähr fünfundsiebzig Kilometer«, sagte Jongewaard. »Wir müssten den Bahnhof in einer Stunde erreichen.«
Mit Lofgren am Dampfhebel fuhr Adeline zweiundvierzig Minuten später in den Bahnhof von Ogden ein. Er wurde auf das Versorgungsgleis gelenkt und brachte die Lokomotive zum Stehen. In der Zwischenzeit waren sie ein gut eingespieltes Team. Während Long und Shea Kohle bunkerten und Wasser tankten, überprüften Lofgren und Jongewaard die Lok und ölten die Achsen und Radlager. Bell eilte in das große Bahnhofsgebäude, um das Büro des Fahrdienstleiters aufzusuchen.
Ein untersetzter Mann saß an einem Schreibtisch und starrte aus dem Fenster auf einen ankommenden Personenzug. Sein Interesse galt vor allem einer jungen hübschen Frau, die ihre Knöchel zeigte, als sie aus dem Pullmanwagen stieg. Bell las den Namen auf einem kleinen Schild, das vorn auf dem Schreibtisch stand.
»Mr. Johnston?«
Johnston blickte in Bells Richtung und lächelte freundlich. »Ja, ich bin Johnston. Was kann ich für Sie tun?«
Bell leierte die Geschichte von der Jagd nach Cromwell nun vielleicht schon zum sechsten Mal seit seiner Abreise aus San Francisco herunter. »Können Sie mir sagen, wann der Zug hier durchgefahren ist?«
»Er ist nicht durchgefahren«, antwortete Johnston.
»Er ist hier nicht durchgefahren?« Bell zog die dichten Augenbrauen hoch.
»Nein«, sagte Johnston, lehnte sich in seinem Drehstuhl zurück und stellte einen Stiefel auf eine herausgezogene Schublade. »Sie sind auf die Bahnlinie Richtung Norden umgeleitet worden.«
»Wie?«, stieß Bell hervor. »Es war kein fahrplanmäßiger Zug.«
»Eine reiche Frau hat dem Zugabfertiger an der Weiche weiter oben an der Bahnlinie Papiere gezeigt, in denen stand, dass sie einen Zug mit Streckenfreigabe bis Missoula, Montana, gemietet hätten.«
»Die Schwester des Verbrechers«, sagte Bell. »Sie versuchen die Grenze nach Kanada zu erreichen.«
Johnston nickte verstehend. »Der Zugabfertiger ist mit mir die nach Süden fahrenden Züge durchgegangen. Vor morgen früh fährt keiner, also habe ich ihm die Erlaubnis gegeben, den Zug der Dame in Richtung Norden weiterfahren zu lassen.«
»Wann war das?«
»Vor knapp zwei Stunden.«
»Ich muss diesen Zug aufhalten«, sagte Bell entschlossen. »Für eine Fahrerlaubnis nach Missoula wäre ich Ihnen sehr dankbar.«
»Warum telegrafieren Sie nicht dem Sheriff in Butte, damit er den Zug anhält und den Verbrecher und seine Schwester in Gewahrsam nimmt?«
»Das versuche ich, seit wir Reno verlassen haben, doch Cromwell hat die Telegrafenleitungen entlang der Strecke gekappt. Für ihn gibt es keinen Grund, jetzt damit aufzuhören.«
Johnston schaute bestürzt drein. »Mein Gott, er hätte einen Frontalzusammenstoß verursachen können.«
»Bevor er und seine Schwester die kanadische Grenze nicht erreicht haben, haben sie nichts zu verlieren, selbst wenn es bedeuten würde, jemanden zu töten, der ihnen in die Quere kommt.«
Johnston begriff schlagartig. »Schnappen Sie diesen miesen Feigling!«, rief er voller Entrüstung. »Ich gebe Ihnen gerne die Fahrerlaubnis bis Missoula.«
»Ich bin für jede Hilfe dankbar«, entgegnete Bell.
»Wie lautet Ihre Zugnummer?«
»Kein Zug, nur ein Tender und eine Lok mit der Nummer 3455.«
»Was für eine?«
»Eine Baldwin Atlantic 442«, sagte Bell.
»Sie ist schnell. Was ist mit einer Ersatzcrew?«
»Ich habe schon zwei Crews, die darauf bestehen, bei der Jagd mitzumachen, bis wir den Verbrecher erwischt haben.«
»In diesem Fall kann ich Ihnen nur Glück wünschen.« Johnston erhob sich und schüttelte Bell die
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