Höllenjagd
unterbrochen. Ich kann keine Nachrichten in östliche Richtung schicken.«
»Ich wette, Cromwell hat die Leitungen gekappt«, sagte Bell.
Pulver studierte eine große Tafel an der gegenüberliegenden Wand. Auf der standen die Züge, die durch Reno fahren sollten. »In zwanzig Minuten habe ich eine Crew für Sie. Bis Elko sollten Sie gut durchkommen. Ich hoffe, dass von da die telegrafische Verbindung wieder funktioniert, sonst laufen Sie Gefahr, mit einem westwärts fahrenden Zug zu kollidieren.«
»In diesem Fall«, sagte Bell zynisch, »hätte ich die Genugtuung zu wissen, dass Cromwell vor mir mit ihm kollidiert ist.«
44
Adeline brauste auf der flachen Trasse dahin. Sie erreichte knapp 145 Stundenkilometer, donnerte über Brücken und Bergschluchten, rauschte durch Kleinstädte und sauste an Signalen vorbei, die anzeigten, dass die Strecke frei war. Die Telegrafenstangen entlang der Bahnlinie flogen vorbei. Grauer Rauch, vermischt mit Funken und Asche, quoll aus dem Schornstein und bildete eine horizontale Wolke über dem Führerhaus, die vom Fahrtwind abgeflacht wurde.
Russ Jongewaard, ein blonder Abkömmling der Wikinger, saß mit einer Hand am Dampfhebel auf dem Lokführersitz, während Bill Shea, ein großer humorvoller Ire, Kohle in den Feuerkasten schaufelte. Nachdem sie von Bell erfahren hatten, dass er mit aller Macht versuchte, den berüchtigten Schlächter zu schnappen, hatten sie sich begeistert der Jagd angeschlossen.
Lofgren und Long blieben ebenfalls an Bord. »Wir kommen freiwillig mit«, hatte Lofgren angeboten. »Wenn wir vier uns abwechseln, brauchen wir nicht mehr anzuhalten, um noch einmal die Crew zu wechseln.«
Bell sprang beim Kohleschaufeln ein. Die Schussverletzung am Oberschenkel von Cromwells Kugel in Telluride war noch nicht ganz verheilt, doch solange er sich nicht zu stark auf das Bein stützte, waren die Schmerzen erträglich. Seine Schaufelladungen waren nur halb so groß wie die von Long oder Shea, aber das glich er aus, indem er in derselben Zeit zweimal schaufelte.
Die beiden Heizer der Southern Pacific wechselten sich damit ab, den Wasserstands- und den Dampfdruckmesser zu beobachten, um sich zu vergewissern, dass das Feuer ordentlich brannte und die Messnadel unmittelbar vor dem roten Bereich blieb, sodass die Maschine mit knapp zweihundert Pfund Dampfdruck arbeitete. Sie beobachteten auch den Rauch, der aus dem Schornstein quoll. Wenn die Farbe von grau nach weiß überging, schaufelten sie mehr Kohle. Wenn er schwarz wurde, bedeutete es, dass das Feuer zu stark war und sie es reduzieren mussten.
Zwischen Lofgren und Jongewaard entwickelte sich ein unausgesprochener Wettstreit, der nicht ohne Erfolg blieb. Auch wenn Adeline ihre enorme Kraft und die rasende Geschwindigkeit ihrer Triebräder bereits demonstriert hatte, waren es doch der Wille und die Ausdauer der Männer, der sie an ihre Grenzen brachte, sodass man an diesem Tag in Nevada alle Rekorde brach. Die Männer waren nicht mehr die Jüngsten, doch sie schufteten, um den Zug des Killers, der so viele unschuldige Menschen auf dem Gewissen hatte, einzuholen.
Als Lofgren sah, dass das Flügelsignal für die Strecke hinter Elko auf freie Fahrt stand, ließ er den Dampfhebel auf volle Fahrt stehen, und die Lok rauschte mit 150 Stundenkilometern durch den Bahnhof. Die Leute, die am Bahnsteig auf einen Zug warteten, blickten entsetzt hinterher, als Adeline wie eine Kanonenkugel vor- beischoss.
Zum Glück gab es nur ganz vereinzelt ein paar Weichen, wenn Nebenlinien von der Strecke abzweigten, sodass sie ihre Geschwindigkeit beibehalten konnten. Dann mussten sie bei Wells und ein Stück weiter bei Promontory quälende Pausen einlegen, um westwärts fahrenden Versorgungszügen die Durchfahrt zu ermöglichen. Die Wartezeit wurde genutzt, um Kohle und Wasser aufzunehmen, doch sie verloren insgesamt eine Stunde und zwanzig Minuten.
Bei jedem Halt fragte Bell den Bahnhofsvorsteher nach Cromwells Zug. In Wells erfuhr er, dass der Lokführer und der Heizer, die Cromwells Lok ab Oakland gefahren hatten, von einem Gleisarbeiter, der die Bahnschwellen und Gleise überprüft hatte, gefunden worden waren. Er hatte die völlig erschöpften und ausgedörrten Männer in die Stadt gebracht. Sie hatten bestätigt, was Bell befürchtet hatte: Cromwell hatte regelmäßig befohlen, den Zug anzuhalten, damit sein Helfershelfer auf die Telegrafenmasten klettern und die Kabel durchschneiden konnte.
»Wie sieht es aus?«, fragte
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