Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition)
Fischtrawler und Jachten überfallen. Ein wesentlicher Teil der Aktivitäten fand vor der somalischen Küste und im Golf von Aden statt, einem 920 Meilen langen und 300 Meilen breiten Tiefwasserbecken, das am Horn von Afrika zwischen dem Jemen und Somalia liegt. Ungefähr zehn Prozent der weltweiten Öltransporte gehen auf Schiffen durch den Golf von Aden. Tankschiffe transportieren Öl von den Häfen Saudi-Arabiens durch das Rote Meer, durch den Golf und das Arabische Meer bis nach Europa und Amerika. Jahr für Jahr schwimmen Güter im Wert von einer Billion Dollar an der somalischen Küste vorbei. Im Grunde schippern wir Seeleute also die lebenswichtigste Ressource durch die instabilste Region der Welt, wodurch die Gegend um den Golf von Aden und die somalische Küste zu einem einzigen gigantischen Schießstand wurde. Wer hier durchfuhr, stand unter der ständigen Bedrohung durch Piratenangriffe, die mit jedem Monat gewitzter und gewalttätiger wurden. Die gezahlten Lösegelder schossen in die Höhe und machten jährlich zigmillionen Dollar aus, was wiederum verzweifelte junge Männer zum Golf zog wie die Fliegen zum Licht.
Das also war die Meeresgegend, durch die wir fahren mussten. Unser nächstes Ziel war Dschibuti, am westlichen Rand des Golfs von Aden gelegen. Wir mussten in den Hafen fahren, löschen und wieder hinauskommen, bevor uns die bösen Jungs ins Fadenkreuz nehmen konnten.
Ich schickte Andrea eine kurze E-Mail, dass ich sicher auf dem Schiff angekommen sei und dass wir uns aufs Auslaufen vorbereiteten. Aus Telefonanrufen mache ich mir nicht viel. Viel zu teuer. Aber sie sollte wissen, dass ich an Bord war und an sie dachte.
Andrea trauerte immer noch den Zeiten nach, als ich ihr lange Briefe schrieb oder Postkarten schickte. Ich hatte ihr immer mindestens einen langen Brief geschickt, den ich über eine Woche hinweg verfasst hatte – welchen Ozean ich gerade durchquerte, wie das Wetter war, welche Dummheiten die Crew wieder angestellt hatte. Die ersten Postkarten hatte ich immer mit »Rich« unterschrieben. Das war damals, als wir noch »ziemlich verknallt«, aber noch nicht richtig »verliebt« waren. Es dauerte eine Weile, bis mehr daraus wurde. Andrea erinnert sich immer noch daran, als sie einen Brief erhielt, bevor wir verheiratet waren, der unten mit »Love, R.« unterschrieben war. Das fiel ihr auf, und ich glaube, dass sie in diesem Augenblick zum ersten Mal dachte: »Vielleicht meint er es doch ernst.« Andrea bewahrt bis heute alle Briefe auf, die ich ihr geschrieben habe.
Ein paarmal rief ich auch von irgendwo auf dem Globus an, wobei ich das Gespräch immer mit derselben Phrase begann. Andrea schlief meistens, und wenn sie sich verschlafen meldete, sagte ich mit tiefer Barry-White-Stimme: »Ist dein Mann zu Hause?«
Und sie antwortete: »Nein, zufällig ist er grade nicht da.«
»Gut. Dann komme ich gleich mal vorbei.«
Ich weiß nicht mehr, wann wir damit anfingen, aber zwischen uns wurde es zu einem privaten Standardwitz.
Aber die Briefe liebte sie wirklich, vor allem, wenn ich darin meine romantischen Anwandlungen hatte. In einem Brief schrieb ich: »Ich vermisse die Innenseite Deiner Arme.« Wie hätte sie da noch widerstehen können? Und in einem anderen Brief: »Ich sehe Dich im Mond.« Ich erklärte Andrea, dass der Vollmond für Seeleute ein Glücksbringer sei, und wenn ich zum Mond aufschaue, stelle ich sie mir vor, wie sie tausende Meilen entfernt schlafe. Der Vollmond wurde unser Mond, ein Spiegel, um einander nahe zu sein. Als die Kinder noch kleiner waren, schauten sie zum klaren Nachthimmel über Vermont auf und riefen: »Schau doch, da ist Daddys Mond.« Und wenn Andrea dann sagte, »Ja, stimmt«, schauten Mariah und Dan den Mond an und sagten: »Gute Nacht, Daddy, wo immer du gerade bist.« Andrea tat alles, damit ich stets mit dem Leben meiner Kinder verbunden blieb.
Kinder habe ich immer gemocht. Einer meiner Jobs, bevor ich zur Handelsmarine ging, war die Arbeit mit schizophrenen Kindern, und diese Arbeit fand ich immer ausgesprochen interessant.
»Der Umgang mit Kindern ist eine gute Vorbereitung für den Umgang mit einer Crew«, erklärte ich Andrea. Und das stimmte auch. Auf meinen Schiffen habe ich sogar einen »Raum der Tränen« eingerichtet, eine kleine Kabine, in der Schlichtungsgespräche zwischen Besatzungsmitgliedern geführt werden konnten, wenn sie Probleme oder Streit miteinander hatten. In meinen Briefen beschrieb ich Andrea jede einzelne
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