Sündige Liebe
1
Angela Sherrington warf das nächste Scheit in den Herd. »Eine solche Blödheit! « fluchte sie und sah finster auf die Funken, die auf den Boden sprühten.
Wenn sie nur nicht so dumm gewesen wäre, verschwenderisch mit den Streichhölzern umzugehen! Jetzt war sie gezwungen, das Feuer Tag und Nacht am Brennen zu halten. Seit ihr die Streichhölzer letzte Woche ausgegangen waren, war es höllisch in dieser Bruchbude zu leben, die Angela ihr Zuhause nannte.
Angela warf noch einen verärgerten Blick auf das Feuer und trat dann auf die kleine Veranda vor der Hütte, die nur aus einem Zimmer bestand. Sie hoffte auf eine Brise, aber es waren mindestens siebenundzwanzig Grad. Sie verfluchte sich noch einmal. In dem betrüblichen Jahr 1862 waren Streichhölzer rar. Der Krieg hatte eine Knappheit an allen Notwendigkeiten bewirkt, und es würde ihr nichts anderes übrigbleiben, als vorsichtiger zu sein.
Die Sherringtonfarm, falls man sie überhaupt als Farm bezeichnen konnte, war keine Meile vom Fluss , dem Mobile, entfernt, und lag nur einen halben Tagesritt von der Stadt gleichen Namens, der größten Stadt von Alabama. Die Felder, die die Farm umgaben, waren in letzter Zeit kahl. Die Scheune mit den zerbröckelnden Wänden und dem lecken Dach war leer. Das Haus war einmal verputzt gewesen, aber inzwischen kostete es einige Anstrengung, die wenigen Farbflecken zu sehen, die noch verblieben waren. Zwei Korbstühle in jämmerlichem Zustand und eine Lattenkiste, die als notdürftiger Tisch diente, standen auf der Veranda.
Widerwillig ging Angela ins Haus zurück und fing an, auf dem Küchentisch Teig zu kneten. Die Hitze zermürbte sie, und dazu kamen das Feuer, das hinter ihr loderte, und die Sonne, die sich durch das Fenster vor ihr ergoss . Gleichzeitig zermürbte sie die Sorge um ihren Vater. Er war gestern nach Mobile gefahren, um den Rest ihrer Maisernte zu verkaufen. Er hätte gestern Nachmittag zurückkommen sollen, doch Angela hatte zum vierten Mal in ihrem Leben die Nacht ganz allein verbracht. Es war traurig, aber wahr, dass es sich alle vier Male nach Kriegsausbruch so zugetragen hatte.
Mit einem tiefen Seufzer sah Angela durch das gesprungene Fensterglas auf das rote Feld. Das Feld hätte heute Morgen gepflügt werden müssen, damit Erbsen und Limabohnen angepflanzt werden konnten. Sie hätte sich selbst an diese Aufgabe gemacht, wenn sie mehr als nur einen Maulesel besessen hätten. Doch dem war nicht so, und ihr Vater hatte die alte Sarah vor den Wagen gespannt. Diese alte Lederhaut, wo steckte er bloß?
Angela war eine ganze Weile vor Tagesanbruch aufgestanden. Um diese Zeit putzte sie am liebsten das Haus, im Sommer die einzige Tageszeit, zu der es kühl genug war. Ihr Heim war bescheiden, aber niemand konnte ihr nachsagen, dass es nicht sauber war.
Angela wischte sich den Schweiß von der Sti rn . Sie bemühte sich, ihre Sorgen zu vergessen, aber es gelang ihr nicht. Die drei anderen Male, die er über Nacht fortgeblieben war, war er zu betrunken gewesen, um seinen Wagen zu finden. Sie hoffte, dass er auch diesmal nur betrunken war und keinen Streit angefangen hatte.
Angela konnte für sich selbst sorgen. Das bereitete ihr keinen Kummer. Selbst wenn ihr Vater zu Hause war, war er oft betrunken und lag im Bett. Sie hass te es, aber sie konnte nichts tun, um ihn vom Trinken abzuhalten. William Sherrington war ein Trunkenbold.
Aus bloßer Notwendigkeit hatte sie gelernt, Wild zu jagen. Andernfalls wäre sie ohne weiteres verhungert, während sie darauf wartete, dass er aus seiner Betäubung erwachte. Mit nur einem Schuss konnte sie ein Kaninchen im Lauf treffen.
ja, sie konnte für sich selbst sorgen, aber ihr war trotzdem unwohl zumute, wenn ihr Vater fort war.
Nach einer Weile hob das Geräusch eines näherkommenden Fuhrwerks ihre Stimmung. Es war auch an der Zeit! Und jetzt, nachdem ihre Bangigkeit schwand, trat ihre Wut zutage. Diesmal würde sich ihr Vater einiges anhören müssen.
Doch es war nicht die alte Sarah, die um die hohen Zedern getrottet kam. Zwei graue Stuten zogen einen staubigen, schlammbespritzten Wagen. Und diesen Wagen lenkte der letzte Mensch auf Erden, den sie jetzt sehen wollte.
2
Billy Anderson brachte seine Stuten zum Stehen. Er hatte sie angetrieben, als sei ihm eine Armee von Yankees auf den Fersen. Die Chance, auf die er gewartet hatte, hatte sich heute Morgen unerwartet ergeben, als er erfahren hatte, dass William Sherrington betrunken auf der Straße
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