Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition)
konnte ich mich jederzeit an sie wenden. Andrea sagte immer, mein Vater sei der Wind in den Segeln und meine Mutter der Kiel. Sie hielt die Familie auf Kurs. Ohne sie wären wir ganz bestimmt den Haien zum Fraß vorgeworfen worden.
Mein Vater war eher der typische irisch-amerikanische Mann von damals: Er sorgte gut für seine Kinder, erdrückte sie aber nicht gerade mit Zuneigung. Ein zäher Bursche wie aus dem Bilderbuch: 1,85 Meter groß, mit gewaltigem Brustkasten, langem Torso, aber kurzen Beinen, wie das in der Phillips-Familie oft vorkam. Er war ein sportlicher Typ und hatte im Nordosten American Football und Basketball gespielt; damals lernte er auch meine Mutter kennen. Seine Liebe bewies er ihr durch sehr harte Arbeit. Tagsüber harte Arbeit und nachts eine Umarmung? Meine Mutter kann ein Lied davon singen.
Dad war kein großer Kommunikator. Ich liebte ihn, aber es war schwer, ihm etwas Recht zu machen. »Mach es einmal, aber richtig, oder lass es bleiben«, war sein Motto, meistens gefolgt von »Und setz’ dich endlich auf deinen Hintern.« Egal was ich tat, seine Reaktion war unweigerlich ein »Das kannst du besser machen.« Manchmal brachte mich das auf die Palme. Ja, klar, aber wie wär’s jetzt mit ein bisschen Anerkennung für das, was ich gut gemacht habe? Von meinem Vater lernte ich, meine Sachen richtig zu machen. Ich wollte ihm immer beweisen, dass ich es konnte, aber eben auf meine eigene Weise.
Mein Vater war überzeugt, dass man Kinder am besten erzog, indem man sie streng herumkommandierte. Schon am frühen Morgen brüllte er uns an, endlich aus dem winzigen Bad zu verschwinden, das wir alle benutzen mussten. »Ihr kommt zu spät in die Schule!«, brüllte er mit seiner tiefen, dröhnenden Stimme. Und wir hatten so viel Angst vor ihm, dass wir die Zeit im Bad auf das absolute Minimum begrenzten. Dann griffen wir nach der Schultasche, rasten auf die Straße hinaus und machten uns zusammen mit anderen Kids aus dem Viertel auf den langen Schulweg. Zwei Minuten später fuhr mein Vater an uns vorbei. Er unterrichtete in meiner Schule, aber nie schenkte er uns auch nur einen einzigen Blick, wenn er an uns vorbei fuhr.
»Hey«, sagten meine Freunde dann, »war das nicht dein Vater? Warum nimmt er uns nicht mit?«
»Fragt ihn lieber nicht«, antwortete ich dann immer.
Es war so ungefähr, als hätte man einen permanent schlecht gelaunten Vince Lombardi, den notorisch jähzornigen Football-Trainer, zum Vater.
Meine Haltung zum Leben war deshalb immer eine Mischung aus der Ruppigkeit meines Vaters und der Fürsorglichkeit meiner Mutter. Sie sorgte dafür, dass ich nicht so raubeinig wie er wurde, aber in mancher Hinsicht bin ich genauso hart wie er. Man kann tatsächlich immer besser werden. Ich gebe das nur ungern zu, aber mein Alter Herr hat mich geprägt. Mit gewissen Ausnahmen. Kein einziges Mal hat mein Dad mir gesagt, dass er mich liebte oder stolz auf mich sei (obwohl ich wusste, dass beides der Fall war). Ich dagegen zeige und sage meinen Kindern, dass ich sie liebe. Irgendwann findet man eben heraus, was man als Erbe von den Eltern übernehmen und was man hinter sich lassen sollte.
Schon als Kind war ich ein Besserwisser. Wenn ich neue Lehrer bekam, sagten sie mir meist schon am ersten Tag: »In dir steckt noch viel mehr!« Ihr kennt mich noch lange nicht , dachte ich dann immer. Obwohl meine Eltern Lehrer waren, machte ich mir nicht sehr viel aus schulischer Bildung. Mein Vater unterrichtete Wirtschaftslehre und Mathematik; außerdem coachte er die Basketballmannschaft und assistierte beim Football-Training in einer nahe bei unserem Haus gelegenen High School. Meine Mutter unterrichtete vierte und sechste Klassen in Schulen in Massachusetts und New Hampshire. Doch ich hing mit meinen schulischen Leistungen irgendwo am unteren Ende der Klasse und machte nur immer gerade genug, um durchzukommen. Schule, das war für mich ein Ort, an dem man Mädchen anglotzen, Sport treiben und mit Freunden zusammen sein konnte. So ähnlich wie Kirche, aber mit Sport.
Ich war der geborene Rebell. Nie täuschte ich Interesse vor, wenn mich etwas nicht reizte. Außerdem war mir immer klar, dass ich andere Fähigkeiten besaß: Ich war zäh, ein harter Arbeiter und wusste, wie ich etwas lernen konnte.
Und immer war ich überzeugt, dass ich eigentlich ein Glückspilz war und dass mich das Leben zu so manchen interessanten Orten führen würde. Selbst meine Lehrer spürten das. Mein Französischlehrer, Doc
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