Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition)
unter den Aufbauten war der Maschinenraum. Davor lagen die riesigen Frachträume, in denen sich auch die Ballast-, Treibstoff- und Wassertanks befanden. Hinter dem Maschinenraum und damit unter dem Hauptdeck lag der Achtern-Steuerraum.
Während der nächsten paar Stunden inspizierte ich die Maersk Alabama sorgfältig – mit dem Auge eines Kapitäns. Als erstes fiel mir auf, dass die Sicherheit ein wenig vernachlässigt worden war. Überall auf dem Schiff sah ich offenstehende Türen. Die Türen zum Maschinenraum und zur Brücke und die Luke, die in die Frachträume führte – sie alle waren mögliche Zugänge für Eindringlinge, und alle standen weit offen. Obwohl wir im Hafen lagen, hätten sie gesichert sein müssen. Auch die Piratengitter waren nicht verschlossen. Darunter versteht man Eisengitter über den Leiteraufstiegen des Schiffes, die an den Außenwänden vom Hauptdeck zu den anderen Ebenen der Aufbauten führen. Sobald man eine der Leitern hinauf steigt, muss man dieses Schutzgitter aus miteinander verschweißten Eisenstangen wieder über die Luke herabklappen, durch die man soeben gestiegen ist, und sie verschließen. Die Gitter sollen Eindringlinge daran hindern, zur Brücke hinauf zu gelangen.
Ich war schon einmal Kapitän der Maersk Alabama gewesen und kannte das Schiff ziemlich gut. Sie war ein Containerschiff, eines der Arbeitstiere, die den Toyota transportieren, den Sie fahren, den Plasma-Fernseher, vor dem Sie sitzen, die Reeboks, die Sie tragen. (Ohne die Handelsmarine gäbe es keine Super- und Hypermärkte.) Wir Seeleute der Handelsmarine fahren eben nicht auf den schönen Schiffen dieser Welt, auf den Edeljachten, den Segelschiffen und den schicken Schnellbooten. Wir posieren nicht mit einem Gin Tonic in der Hand lässig am Steuerruder. Wir arbeiten auf Fischfangschiffen, Lastkähnen, Massengutfrachtern, Tankern. Die Maersk Alabama war vor zehn Jahren in China gebaut worden; sie war 508 Fuß (155 Meter) lang und 83 Fuß (26 Meter) querschiffs. Der Rumpf war blau, und die Aufbauten beige gestrichen, wie alle Schiffe der Reederei Maersk. Zwei 12 Meter hohe Kräne standen vorn und achtern, so dass wir die auf dem Deck stehenden Container immer recht schnell bewegen konnten. Die Höchstgeschwindigkeit der Maersk Alabama lag bei 18 Knoten; sie wurde durch einen einzigen Dieselmotor angetrieben. Die Ladekapazität betrug 1 092 TEU. Die Abkürzung TEU bezeichnet das Twenty-Foot Equivalent Unit, also einen 20 Fuß langen ISO-Container, das globale Standardmaß eines Containers. Das bedeutet, dass die Maersk Alabama ungefähr 1092 solcher Container transportieren konnte, die Sie in jedem Hafen und oft auch auf Sattelschleppern auf den Straßen sehen können. Das Schiff glich tausenden anderer Schiffe draußen auf den Meeren, und für die nächsten drei Monate würde es mein Zuhause, mein Arbeitsplatz und meine Verantwortung sein. Wir befanden uns auf der EAF4-Route (East Africa 4), die von Salala, Oman, über Dschibuti-Stadt in der Republik Dschibuti nach Mombasa, Kenia, im Indischen Ozean führte. Manchmal liefen wir auch Daressalam in Tansania an, aber dieses Mal waren nur drei Häfen vorgesehen. Ich empfand die Ostafrika-Route immer als angenehme, ja sogar als entspannte Reise, besonders im Vergleich zu den Autotransporten von Yokohama in die Vereinigten Staaten, die unter extremem Zeitdruck durchgeführt werden mussten. Auf diesem Trip jedoch erwarteten uns viel Sonne, interessante Häfen und ein solide gebautes Schiff. Es war eine der besten Routen, die ich jemals befahren hatte, und ich freute mich darauf.
Wir hatten 17 000 Tonnen Fracht geladen, einschließlich 5 000 Tonnen Lebensmittel für das Welternährungsprogramm, die wir »Handshake Food« nennen: Getreide, Weizen, Erbsen und andere lebensnotwendige Dinge. Von den Häfen aus würden die Nahrungsmittel mit Trucks über hunderte Meilen in Länder wie Ruanda, Kongo oder Uganda transportiert, also in Binnenstaaten, in die die Waren nicht anders gebracht werden konnten. Alle Waren – jede Glühbirne, jedes Paar Schuhe, jede Gasflasche –, die in solchen Ländern verkauft werden, kommen aus einem der beiden Häfen in Mombasa und Daressalam. Später erfuhr ich, dass eine katholische Hilfseinrichtung 23 Container an Bord der Maersk Alabama hatte, die für Ruanda bestimmt waren. Wie sie mir erzählten, handelte es sich dabei um den gesamten Nachschub für ein halbes Jahr für die Flüchtlinge, die sie versorgten, und wenn sich die Lieferung
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