Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition)
sofort. Und informieren Sie die nächste Wache über diese Sache. Wir bleiben auf 120 UpM, bis ich am Morgen wieder auf die Brücke komme.«
Soweit ich wusste, griffen Piraten niemals bei Nacht an. (Inzwischen haben Piraten jedoch mindestens einmal im Schutz der Dunkelheit ein Schiff angegriffen.) Aber wenn ich ein somalischer Bandit wäre, würde ich genau das tun. Ich würde mich im Schutz der Dunkelheit anschleichen und das Schiff entern, bevor die Crew reagieren kann. Keine Ahnung, warum sie das noch nicht versucht hatten – das Entern würde zwar schwieriger sein, weil sie die Enterhaken im Dunkeln hinaufwerfen müssten, aber davon abgesehen wären die Vorteile gewaltig.
Ich wollte jedoch nicht der Erste sein.
Ich ging in meine Kabine zurück und ließ mich wieder ins Bett fallen. Nie zuvor hatte ich einen Piratenangriff erlebt, und nun gleich zwei mögliche Bedrohungen innerhalb von 24 Stunden! Das machte mir erneut klar, dass es im Meer um uns herum von diesen Burschen nur so wimmelte und dass wir durch eine ganz andere, eine neue Welt fuhren. Die Statistiker werfen gern mit der Zahl von 0,04 Prozent um sich, dem Anteil der Schiffe, die tatsächlich angegriffen werden, aber diese Zahl können Sie vergessen. Tatsächlich war inzwischen grundsätzlich jedes Schiff, das durch den Golf fuhr, ein potenzielles Angriffsziel.
Während ich in meiner Koje lag und nicht mehr einschlafen konnte, fiel mir ein alter Marineausdruck ein. Im Zweiten Weltkrieg fuhren Konvois von hundert und mehr Schiffen über den Atlantik, um den GIs in Europa den dringend benötigten Nachschub zu bringen. Doch der Ozean war von deutschen U-Booten verseucht, und die Frachter boten ideale Zielscheiben.
Aber nicht alle. Wenn man irgendwo in der Mitte der Formation fuhr, wurde man selten angegriffen. Befand man sich jedoch an einer der vier Ecken, war man einem Angriff schutzlos ausgeliefert. Verwundbar. Leichte Beute.
Deshalb nannten sie diese Platzierungen »Sargecken«. Es kam mir so vor, als laufe die Maersk Alabama jetzt ebenfalls an einer Sargecke. Und es war kein einziger Zerstörer in der Nähe, der den Feind hätte in Schach halten können.
ACHT
Tag 1, 06.00 Uhr
»Wenn man ein Schiff erst einmal in seiner Gewalt hat, liegt eine Win-win-Situation vor. Wir greifen jeden Tag viele Schiffe an, aber nur wenige lohnen sich wirklich. Kein Mensch wird für ein Dritte-Welt-Schiff mit einer indischen oder afrikanischen Besatzung einen Finger rühren, deshalb lassen wir sie sofort wieder frei. Aber wenn das Schiff aus einem westlichen Land kommt … dann ist das der Jackpott
Somalischer Pirat, Wired.com, 28. Juli 2009
I n der Handelsmarine heißt es: »Schlaf schnell«. Seeleute können binnen zehn Sekunden tief und fest schlafen und zwei Stunden später wieder fit an die Arbeit gehen. Entweder man lernt diese Kunst, oder man hält den Arbeitsrhythmus nicht durch.
Ich schlief wie ein Toter und wachte am nächsten Morgen um Sechs auf, als die Sonne unter dem Saum meiner Verdunkelung durchschien. Mittwoch, 8. April. Wir hatten wieder einen Tag geschafft.
Ich duschte kurz, das Wasser kam aus den Tanks im Rumpf unten. Dann trocknete ich mich ab, zog mich an und sah nach der Wettervorhersage: Wieder sonnig, ideales Fahrwetter. Ich schaute mir die eingegangenen Nachrichten an: noch mehr Gerüchte über Piraten. Ach nee, und was gibt’s sonst Neues, dachte ich.
Ich stieg zur Brücke hoch. Die Sonne brannte wie ein glühender Schürhaken direkt über dem Kopf. Ich holte mir eine Tasse Kaffee und ging zu Shane, der gerade Wache hatte. Wir planten sofort, was wir heute noch alles erledigen mussten. Allmählich näherten wir uns Mombasa, und dort würden wir alle Hände voll zu tun haben. Piraten hin oder her, wir hatten eine Fracht, die es zu löschen galt, und mussten die Vorräte auffüllen, sowie Tausend andere Dinge zu tun, die die Besatzung eines Handelsschiffs erledigt, sobald sie einen Hafen anläuft: Wäsche waschen, Männer auszahlen, neue Besatzung anheuern. Dazu all die unvorhergesehenen Dinge, die einen unweigerlich erwarten: Ein Regierungsbeamter beschließt kurzerhand, das Schiff zu inspizieren (zumindest bis er ein entsprechendes Schmiergeld eingestrichen hat), oder ein blinder Passagier taucht aus seinem Versteck auf.
Wir waren mitten in dieser Diskussion, als ATM, der aus Pakistan stammende Vollmatrose, uns unterbrach.
»Boot nähert sich, 3,1 Meilen entfernt, achteraus.«
Shane und ich fuhren herum, um uns die Sache
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