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Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition)

Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition)

Titel: Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Captain Richard Phillips , Stephan Talty
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sorgen, dass wir die Übung zur Piratenabwehr einwandfrei beherrschen.«
    Aber ich spürte seine Unruhe. Plötzlich war das Problem der Piraterie nicht mehr abstrakt, keine bloße Überschrift in einer Zeitung, kein Gerücht in den Union Halls. Sie hatten die Piratenboote mit eigenen Augen gesehen und sich dabei verdammt machtlos gefühlt.
    »Ich kann gleich mal ein paar Grundsätze für den Umgang mit Piraten erläutern, in Kurzversion«, bot ich ihm an.
    »Das wäre gut«, nickte Colin.
    »Die Sache ist eigentlich recht einfach«, begann ich. »Erstens, kein Wort über Religion. Das ist pures Dynamit. Auf keinen Fall darf man mit den Burschen über Allah oder Jesus oder wen auch immer reden, und was immer auch geschieht, man darf niemals versuchen, sie zu überzeugen, dass der eigene Glaube besser ist als ihrer. Politik ist ebenfalls tabu, vor allem die Situation im Nahen Osten. Die Piraten wollen einen vielleicht provozieren, etwa indem sie behaupten, Amerika sei das schlimmste Land der Welt. Immer ruhig bleiben. Wir haben nicht die Aufgabe, die Ehre der Nation zu verteidigen. Wir wollen nur überleben, also nehmen wir alles schweigend hin.«
    Es war gut, dass wir uns an diesem Abend die Zeit dafür nahmen. Später kam Colin noch einmal zu mir; er hatte seine Angst, als Geisel genommen zu werden, offenbar immer noch nicht überwunden. Und weil gerade auch noch ein paar andere Crewmitglieder dabei standen, fuhr ich mit meiner Lektion fort.
    »Tut immer genau das, was ich sage. Gebt ihnen so wenig Informationen wie möglich. Ihr müsst unterscheiden zwischen den kleinen Zugeständnissen, die ihr ihnen machen könnt, um ihr Vertrauen zu gewinnen, und den Geheimnissen, die ihr unbedingt für euch behalten müsst, solange ihr nicht akut bedroht werdet.«
    »Und was wäre denn so ein kleines Zugeständnis?«, fragte einer.
    Ich zuckte die Schultern. »Na, zum Beispiel, wo sie frisches Trinkwasser bekommen. Oder ihr zeigt ihnen, welche Sicherheitseinrichtungen wir haben. Eben solche Kleinigkeiten, die ihnen das Gefühl vermitteln, dass sie die Kontrolle haben. Gleichzeitig müsst ihr aber immer versuchen, sie von den wirklich wichtigen Dingen abzulenken, also zum Beispiel vom Radar oder der Maschinensteuerung. Und natürlich auch von den Räumen, in denen sich der Rest der Crew versteckt hält.«
    »Ja, das hab ich verstanden«, sagte Colin.
    »Und ein letzter Punkt: Auch Humor ist hilfreich.« Ich fasste einen der Vollmatrosen ins Auge. »Leider ist keiner von euch Burschen besonders witzig. Deshalb ist Regel Nummer eins: Wir lassen uns gar nicht erst von Piraten erwischen.«
    Wir fuhren jetzt parallel zur somalischen Küste. Ich ging in meine Kabine und schrieb den Nachtbefehl. Jeder Kapitän gibt einen Standardbefehl für die gesamte Fahrt aus, der am ersten Tag ausgehängt wird und für die gesamte Reise gilt. Aber Nachtbefehle enthalten bestimmte Mitteilungen oder Pflichten, die bei der jeweiligen Nachtschicht besonders berücksichtigt werden müssen. »Wir sind immer noch im Feindesland«, schrieb ich an diesem Abend. »Wir sind allein, deshalb müssen wir besonders wachsam sein. Hier draußen sind wir auf uns selbst angewiesen.« Nachtbefehle mussten auch ab und zu etwas Neues bieten, damit die Crew das Interesse nicht verlor. Aber an diesem Abend konnte ich den Befehl sehr kurz halten, denn ich wusste, dass sie äußerst aufmerksam sein würden, wenn es um Piraten ging.
    Gegen 3.30 Uhr, als ich längst tief schlief, klingelte das Telefon.
    Ken, der Zweite Offizier, war dran. Er hatte die 0.00 Uhr bis 4.00 Uhr-Wache.
    »Cap, ich glaube, du solltest mal raufkommen.«
    »Was gibt’s?«
    »Somalische Piraten«, antwortete er.
    »Wo?«
    »Über Funk. Sie melden sich über Funk.«
    »Ich komme sofort.«
    Ich trat auf den Flur und kletterte schnell die innere Leiter zur Brücke hinauf. Wolken schoben sich am vollen Mond vorbei, als ich ins Freie trat.
    Ich öffnete die Tür zur Brücke. Neben Ken war auch ein Vollmatrose zur Wache eingeteilt. Ich wollte gerade etwas sagen, als ich eine Stimme hörte.
    »Hier somalischer Pirat!«, kam die Stimme aus dem Lautsprecher. »Somalischer Pirat!«
    Ich warf Ken einen Blick zu. Seine Augen waren weit aufgerissen. Ein Blick auf das Funkgerät zeigte, dass es auf UKW-Kanal 16 (156,80 MHz) eingestellt war, der internationalen Seenotfrequenz.
    »Somalischer Pirat! Somalischer Pirat! Ich komme und fange dich!«
    Das war geradezu gespenstisch. Ganz eindeutig war es eine afrikanische

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