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Höllental: Psychothriller

Höllental: Psychothriller

Titel: Höllental: Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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Höhe verloren. Siebzig Meter, die ihn viel Kraft gekostet hatten und die er jetzt wieder aufsteigen musste. Er würde langsamer sein als zuvor. Mara und Robert Sand aber hatten es nicht mehr weit bis zum Stollen. Von dort, wo der Rucksack aus der Wand gefallen war, dauerte es bei dem Wetter vielleicht noch zehn Minuten. Er würde es niemals rechtzeitig schaffen.
    Für einen Moment hatte Mara geglaubt, in die Tiefe zu stürzen.
    Sie hatte den Halt verloren und sich bereits im Fallen befunden. Doch dann hatte Sand zugegriffen. Er hatte sie am Ärmel der Jacke gepackt. Weil die aber viel zu groß war, hatte er sie nicht richtig zu fassen bekommen. Mara hatte panisch um sich gegriffen und den blauen Rucksack erwischt, den Sand auf dem Rücken trug. Mit aller Kraft hatte sie versucht, sich daran emporzuziehen, und es wäre ihr auch fast gelungen. Doch dann war der Verschluss gebrochen oder hatte sich geöffnet, das wusste Mara nicht, jedenfalls war der Rucksack von Sands Rücken gerutscht. Mara hatte sich an den Arm des Mörders geklammert, und der Rucksack war in die Tiefe gefallen.
    Sand war stark. Er hatte es geschafft, sie zurück auf den Weg zu ziehen.
    Dort hockten sie beide auf allen vieren und rangen um Atem. Mara war drauf und dran, sich für ihre Rettung bei Sand zu bedanken. Sie tat es aber nicht. Er war ein skrupelloser Mörder, das durfte sie nicht vergessen. Er hatte sie nur gerettet, damit sie ihn zu dem Stollen führte.
    Er erholte sich schneller als sie.
    »Los, weiter«, sagte er. »Und pass besser auf. Das nächste Mal helfe ich dir nicht.«
    Mara schüttelte den Kopf. »Ich … ich kann nicht weiter.«
    Sie fühlte sich tatsächlich außerstande, auch nur noch einen Schritt auf diesem vereisten, windumtosten Pfad zu gehen. Sie war mit ihren Kräften am Ende.
    Sand starrte sie an.
    In seinen Augen lag ein Ausdruck, der Mara erschauern ließ. Noch nie hatte sie bei einem Menschen so viel Entschlossenheit gesehen. Dabei gab es gerade in der Bergsteigerszene viele, deren Wille durch kaum etwas zu brechen war. Doch Sand war anders.
    In diesem Moment schoss Mara ein unglaublicher Gedanke durch den Kopf. Hatte dieser Verrückte Laura wirklich geliebt? War er deshalb so stark und unnachgiebig, weil die Rache für seine getötete Geliebte ihn antrieb? Mara hatte sich nie mit Stalkern beschäftigt. Aber sie konnte sich vage an einen Artikel erinnern, der beschrieb, wie diese Menschen fühlten und dachten. Sie bildeten sich ihre Liebe nicht ein. Sie war echt. Sie wurde nur nicht erwidert, aber das erkannten diese Menschen nicht oder wollten es nicht wahrhaben.
    »Geh weiter«, sagte Sand, und seine Stimme duldete abermals keinen Widerspruch.
    Aber jetzt glaubte Mara, noch etwas anderes darin zu hören. Vielleicht war es Schmerz, vielleicht Trauer, vielleicht bildete sie es sich auch nur ein, aber es gab ihr neuen Antrieb. Sie selbst hatte Laura ganz sicher geliebt und durfte nicht weniger entschieden sein herauszufinden, was ihrer Freundin wirklich zugstoßen war.
    Also stand sie auf. Ihre Beine zitterten. Sie drückte sich mit dem Rücken an die Felswand und schob sich vorsichtig seitwärts. Sand folgte ihr mit geringem Abstand.
    Mitunter waren die Windböen so stark, dass Mara kaum noch atmen konnte. Sie schwitzte und fror gleichzeitig. Es dauerte ewig, bis sie die Stelle erreichte, an der der Weg ein wenig breiter wurde. An dieser Stelle führten ein paar grob behauene Stufen die Wand empor. Man übersah sie leicht, wenn man nicht wusste, worauf man achten musste. Diese Stufen führten zum Stollen.
    Mara blieb stehen und deutete darauf.
    »Hier müssen wir hoch«, rief sie gegen den Sturm an.
    Sand starrte erst die Stufen und dann sie argwöhnisch an. »Wenn du mich verarschst, ich schwöre dir …«
    Er ließ den Satz unvollendet und hob den Eispickel.
    »Der Stolleneingang liegt zehn Meter höher«, sagte Mara.
    »Okay. Geh voran.«
    Auf allen vieren machte Mara sich daran, die Stufen zu erklimmen. Sand blieb unten stehen und beobachtete sie. Es war ihm wohl zu gefährlich, gleich hinter ihr zu klettern. Ein einziger Tritt hätte ihn in die Tiefe befördert.
    Die Stufen waren teilweise vereist. Aber an dieser Stelle fuhr der Wind nicht so heftig gegen die Wand, sodass Mara einigermaßen gut vorankam. Während sie sich dem Stolleneingang näherte, dachte sie nur noch daran, dass sie ihre Aufgabe gleich würde erfüllt haben. Wenn sie erst im Stollen waren, benötigte Sand sie nicht mehr. Sie musste sich

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