Höllental: Psychothriller
sich dem Körper weiter zu nähern.
Sie war auf einen Felsbrocken gestürzt. In einem unnatürlichen Winkel lag sie rücklings darauf wie auf einem Opferstock.
Als Roman bis auf drei Meter heran war, fiel er auf die Knie und verbarg sein Gesicht in den Händen.
Am Klammeingang fand sich das Team ein.
Georg Lorenz, Hans Dachner und Richard Stangl von der Bergrettung. Dazu stieß Thomas Ostler, ein Polizist mit Bergführerausbildung. Etwas abseits standen zwei bullige Männer in voller Bergsteigermontur. Sie hatten Gewehre auf dem Rücken.
»Lass dir doch helfen«, sagte John Hogan. »Die Jungs sind gut in so etwas.«
Franz Leitenbacher schüttelte den Kopf. »Kommt nicht in Frage. Die ballern doch wie wild in der Gegend herum und verletzen am Ende noch Unschuldige.«
»Glaub mir, die treffen nur, was sie auch treffen wollen«, beharrte Hogan. Er hatte die Kapuze zugezogen, nur Mund, Nase und Augen schauten hervor.
Leitenbacher hatte ihn angerufen und auf den neuesten Stand gebracht. Um Hilfe gebeten hatte er seinen alten Freund nicht, aber es wunderte ihn nicht, dass John mit zwei Männern der amerikanischen Militärpolizei aufgetaucht war. Die Armee regelte solche Vorfälle gern intern. Aber das war jetzt nicht mehr möglich. Es hatte zivile Opfer gegeben.
»Das ist nicht deren Zuständigkeitsbereich«, sagte Leitenbacher.
»Das wissen die Jungs. Sie wollen euch unterstützen, mehr nicht. Sie werden deinen Befehlen folgen.«
Leitenbacher dachte nach. Auch er hatte sich Wetterschutzkleidung und Bergstiefel angezogen. Diesen Rettungseinsatz wollte er persönlich leiten, aber er wusste, er war nicht in Form für solche Aufstiege. Das letzte Mal war er vor zehn Jahren freiwillig in den Bergen gewesen. Er war bei einigen Leichenbergungen dabei gewesen, aber das war etwas anderes. Da hatte Zeit keine Rolle gespielt.
Sollte er die beiden Militärpolizisten mitnehmen? Die Männer von der Bergrettung würden problemlos den Weg finden, aber sie würden nicht mit dem durchgeknallten Elitesoldaten Robert Sand fertigwerden. Und Ostler auch nicht. Der war ja mehr Bergsteiger als Polizist und hatte noch nie seine Waffe auf einen Menschen abgefeuert.
»Hör zu«, sagte John Hogan eindringlich. »Wenn ihr Sand verfolgt, begebt ihr euch in Lebensgefahr. Der Mann ist gut ausgebildet und wird mit jeder Situation fertig. Ob zwei oder zehn Gegner, das ist dem egal, er wird auf jeden Fall den Kampf aufnehmen.«
Leitenbacher nickte. Sein Widerstand bröckelte. Beim Blick in die schneeumtoste Klamm wurde ihm angst und bange. Er hasste diesen schwarzen Spalt zwischen den Felswänden. Er hasste es, dass man irgendwann einen Weg dort hindurch angelegt hatte. Warum mussten die Menschen auch überallhin vordringen? Solche Orte waren nicht für Menschen gemacht.
»Schon unter normalen Umständen wird man mit jemandem wie Sand nur schwer fertig«, sagte John Hogan. »Aber Sand ist nicht normal. Er befindet sich auf einem Rachefeldzug. Er wird nicht aufgeben.«
»Gut«, sagte Leitenbacher. »Deine Männer kommen mit. Aber schärfe ihnen bitte noch einmal ein, dass sie nur zu schießen haben, wenn der Befehl von mir oder meinem Kollegen kommt.«
Hogan nickte. »Mach ich.«
Er ging zu den bulligen Männern hinüber und sprach mit ihnen.
Leitenbacher starrte in die Höllentalklamm.
Wer ihr diesen Namen gegeben hatte, hatte sicher einen guten Grund dafür gehabt.
Ein Rucksack.
Es war nur ein Rucksack.
Was dort auf dem Felsbrocken lag und in dem dichten Schneegestöber wie ein zerschmetterter Frauenkörper ausgesehen hatte, war Romans eigener Einsatzrucksack. Zusammen mit zwei Jacken war er aus seiner Wohnung verschwunden, und Roman hatte schon vermutet, dass Sand ihn mitgenommen hatte. Es war ein schlanker, aber langer Kletterrucksack, den man aus der Entfernung leicht für einen Körper halten konnte.
Roman kniete im Schnee und lachte.
Mit diesem Lachen fiel ein Teil der Panik und der Anspannung von ihm ab. Minutenlang war er sich sicher gewesen, Mara Landau zerschmettert vorzufinden. Doch sie lebte. Sie war noch da oben zusammen mit Robert Sand.
Roman kämpfte sich auf die Beine. Er war erschöpft, spürte zudem seine Hände kaum noch. Er öffnete die Verschlüsse des blauen Rucksacks und suchte im Inneren nach seinen Handschuhen. Er fand sie und zog sie an. Den Rucksack ließ er liegen. Er würde ihn später holen.
Er legte den Kopf in den Nacken und schaute zur Wand empor. Siebzig Meter hatte er durch diesen Irrtum an
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